Dieses Unterwasserkabel verbindet Schweden mit Lettland. Es sichert den Internetverkehr und sendet in kürzester Zeit grosse Datenmengen. Im Januar meldet Lettland eine Störung bei der Datenübertragung. «Wir gehen davon aus, dass die Schäden höchstwahrscheinlich durch Fremdeinwirkung entstanden sind.»
Das ist kein Einzelfall. In den letzten Monaten häufen sich die beschädigten Unterwasserkabel in der Ostsee. Aber wer steckt dahinter? Und was bringt diese Sabotage?
Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts spielen Unterseekabel eine wichtige Rolle in der weltweiten Kommunikation. Das erste Unterseekabel – das Transatlantik-Kabel – sichert die Telegrafenverbindung zwischen Europa und den USA.
Bis heute sind die Kabel unabdingbar. Sie sind schneller und günstiger als Satelliten. Über die Kabel läuft mehr als 95 Prozent des weltweiten Datenverkehrs. Ihr Nachteil: Sie sind schwer zu schützen. Immer wieder gibt es Defekte. Dabei werden fast zwei Drittel der Schäden durch gewerbliche Unfälle verursacht, also zum Beispiel durch Schiffsanker oder Bagger.
Aber auch Umwelteinflüsse können eine Ursache sein, wie etwa 2022 im Südseestaat Tonga. Dort hat ein Unterseevulkan ein Seekabel so stark beschädigt, dass die Menschen über mehrere Wochen keinen Internetzugang hatten.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die Kabel bewusst beschädigt werden. Beispielsweise, indem ein Schiff den Anker absichtlich am Meeresboden hinter sich herzieht. Das war auch der Verdacht bei mehreren Vorfällen in der Ostsee. Dort haben sich in den letzten Monaten die Störungen gehäuft.
2022 kommt es zu vier Sprengungen an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee. Ein Jahr später wurde ein Leck in der Balticconnector-Gasleitung entdeckt. Kurz darauf werden Schäden an einem Unterseekabel zwischen Schweden und Estland festgestellt. Es bleibt nicht das letzte Mal. 2024 folgen ähnliche Fälle. Schauen wir uns einen davon genauer an.
Es ist der 25. Dezember 2024. Gegen Mittag kommt es zu einer Störung des Unterseekabels Estlink 2, das die Stromnetze von Finnland und Estland miteinander verbindet.
Was auffällt: Zeitgleich verlangsamt der russische Öltanker «Eagle S» exakt an der Stelle des beschädigten Kabels seine Fahrt. Finnland reagiert entschlossen und entert den Tanker, um mögliche Beweise zu sichern. Später stellen die finnischen Behörden fest, dass der Anker abgetrennt war. Das ist zwar ein möglicher Hinweis auf Sabotage, aber noch kein Beweis.
Die Uneindeutigkeit – der Nebel der Fakten – gehört zum Wesen der hybriden Kriegsführung. Es ist eine Herausforderung für Rechtsstaaten, dass es eben keine forensischen Beweise gibt. Im Fall der Sabotageakte in der Ostsee lassen sich aber Hinweise aus der derzeitigen Lage ableiten. Die Anrainerstaaten rings um die Ostsee, also die Skandinavier, die baltischen Staaten oder auch Polen, gehören zu einem resilienten Block innerhalb der EU und der Nato. Sie haben Signale ausgesendet, dass sie die Ukraine notfalls auch ohne die USA verteidigen würden. Deshalb erhöht Russland den Druck. Und das ist ein Hinweis darauf, dass Russland hinter diesen Sabotageakten stehen könnte.
Es gibt noch weitere Motive. Die Ostsee hat für Russland eine hohe strategische Bedeutung. Sie verbindet etwa Sankt Petersburg und Kaliningrad mit dem Atlantik. Und:
Sie ist eine Drehscheibe – Verbindung und Trennung gleichzeitig. Sie verbindet Skandinavien mit dem Festland, Polen, Deutschland, den baltischen Staaten. Deshalb sind oben in der Luft die Flugzeuge unterwegs, auf dem Meer die Schiffe, und unter Wasser befinden sich dann eben die Kabel und Pipelines. Gleich nach dem Einmarsch in die Ukraine hat Russland an der Ostsee eine strategische Niederlage erlitten. Schweden und Finnland sind der Nato beigetreten. Seither ist die Ostsee eine Art «Nato-See». Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb sich diese Sabotageakte häufen, weil Russland dort Stärke zeigen will oder auch eine Art von Racheakten durchführt gegenüber den skandinavischen Staaten.
Im Januar reagiert die Nato mit der Operation «Baltic Sentry». Mark Rutte, Generalsekretär Nato: «Wir müssen mehr tun.» Alexander Stubb, Präsident Finnland: «Wir werden weiterhin entschlossen reagieren, wenn kritische Infrastruktur in der Ostsee in Gefahr ist.» Sie sendet mehr Patrouillenboote, Wasserdrohnen und überwacht das Gebiet aus der Luft.
Es geht der Nato darum, Präsenz zu markieren. Aber es geht auch darum, zu dokumentieren und zu erkennen, wie die Russen tatsächlich vorgehen.
Die Sabotageakte in der Ostsee verdeutlichen, wie Russland bei seiner hybriden Kriegsführung zu Werke geht – und inwiefern das auch uns etwas angeht.
Im Alpenraum konzentrieren sich die kritischen Infrastrukturen: die Eisenbahn-Alpentransversalen, die Stromversorgung oder Datenverbindungen.
Derzeit haben die Sabotageakte keine direkten Auswirkungen auf unsere Verbindungen. Es sind nur symbolische Nadelstiche gegen die Nato.
Angriffe auf kritische Infrastrukturen können einen Nato-Bündnisfall auslösen – Artikel fünf. Das wäre dann eben das Überschreiten der Kriegsschwelle. Deshalb sind diese Angriffe nicht primär physische Angriffe, um eine Wirkung zu erzeugen, sondern es geht um die symbolische Bedeutung. Es geht darum, dass Russland die Nato herausfordert. Russland nutzt die Unsicherheit der europäischen Staaten seit der Wahl von Donald Trump. Im Wissen, dass die Europäer ohne Amerikaner kaum reagieren.
Dass die Nato nun ihre Präsenz verstärkt, sendet ein klares Signal zurück: Auch sie will Stärke demonstrieren und feindliche Akteure abschrecken.