Südostasien bekommt die organisierte chinesische Kriminalität nicht in den Griff. An der Grenze zu Thailand sind Betrugszentren zu ganzen Städten angewachsen. Thailands Regierung will nun radikal handeln – ob das etwas bringt?
Die thailändische Regierung hat genug. In den Grenzregionen zu Myanmar, Laos und Kambodscha haben sich in den vergangenen Jahren sogenannte Betrugszentren niedergelassen. In riesigen, fabrikartigen Gebäuden werden Menschen auf der ganzen Welt mittels Internet-Betrug um ihr Erspartes gebracht. Die Zentren sind mittlerweile zu kleinen Städten angewachsen. Jetzt überlegt sich die thailändische Regierung, die Grenze zu Kambodscha zumindest teilweise mit einer Mauer zu sichern.
Viele der Arbeiter in den Zentren sind selber Opfer. Sie werden von den meist chinesischen Betreibern der Zentren mittels falscher Jobangebote nach Thailand gelockt. Am Flughafen werden sie professionell empfangen und wiegen sich in Sicherheit – so erzählen es ehemalige Arbeiter in den Zentren. Dann werden sie von einem Auto zur Grenze gefahren. Sowohl Kambodscha als auch Myanmar sind nur einen Fussmarsch entfernt. Viele dieser Arbeiter stammen aus China, Indien oder afrikanischen Ländern.
Fortan sind sie in den Betrugszentren gefangen und werden gezwungen, andere Opfer in der ganzen Welt um ihr Geld zu bringen. Oft tummeln sie sich auf Dating- oder Karriere-Plattformen und halten wochenlang Kontakt zu den Opfern, später sollen diese dann in obskure Kryptowährungen investieren oder ihr Geld bei Online-Kasinos einsetzen. Viele Menschen verloren so schon ihr gesamtes Erspartes.
Schläge und Elektroschocks
Der Online-Betrug ist ein lukratives Geschäft. Das United States Institute of Peace schätzt in einem Bericht, dass im Jahr 2023 amerikanische Bürger allein 3,5 Milliarden Dollar an Betrüger in Südostasien verloren haben. Die Zwangsarbeiter in den Betrugszentren müssen pro Monat Tausende Dollar erwirtschaften. Wer unter der Quote bleibt, wird geschlagen oder mit Elektroschocks gefoltert.
Die Ankündigung einer Grenzmauer nach Kambodscha kommt nach Wochen, in denen die thailändischen Behörden rigoros gegen die Zentren vorgingen. Laut Medienberichten wurden Tausende Personen verschiedener Nationalitäten befreit. Dies kommunizierten chinesische, thailändische und myanmarische Behörden gemeinsam.
Thailand stellte zudem in der Grenzregion zu Myanmar den Strom und das Internet ab, damit die Betrüger nicht mehr arbeiten können. Ein erstes Flugzeug mit befreiten Chinesen hob vergangene Woche aus Thailand ab. 7000 Ausländer sollen noch immer in Myanmar warten, bis sie in ihre Heimatländer ausgeflogen werden können.
Dabei ist die organisierte chinesische Kriminalität in Südostasien kein neues Problem. Die Betrüger operieren bereits seit Jahren in den Grenzregionen um Thailand.
Die jüngsten Massnahmen sind vor allem einem prominenten Opfer geschuldet: Der eigentlich wenig bekannte chinesische Schauspieler Wang Xing reiste Anfang Januar nach Thailand. Er sollte angeblich in einem Film mitspielen, so wurde es ihm von einem Online-Kontakt versprochen. Stattdessen fuhr ihn der Chauffeur vom Flughafen direkt an die myanmarische Grenze. Wang teilte seinen Standort mit seiner Freundin in China, diese postete auf Social Media über die Entführung. Grosse Namen in Chinas Filmindustrie solidarisierten sich und sorgten für viel Aufmerksamkeit für den Fall.
Der thailändischen Polizei gelang es kurz darauf, Wang zu befreien. Aber der Schaden in China war angerichtet. Chinesische Touristen stornierten ihre Ferien in Thailand. Das schmerzt Thailands Wirtschaft. Die jüngsten Massnahmen gegen die Betrugszentren sollen dafür sorgen, dass sich Reisende aus China wieder sicher fühlen.
Das Geschäft läuft weiter
Ob die Massnahmen allerdings viel bringen, ist fraglich. Laut Schätzungen arbeiten bis zu 300 000 Menschen in den Betrugszentren an der Grenze. Die chinesischen Hintermänner operieren in Myanmar oft unter dem Schutz von lokalen Rebellen, die in dem Bürgerkriegsland das Territorium kontrollieren. Auch die thailändischen und kambodschanischen Grenzwächter schauen regelmässig weg, wenn Menschen über Grenzen geschmuggelt werden.
Viele der Hintermänner konnten laut Medienberichten den Razzien entfliehen, auch ihre Arbeiter sollen einfach von einem Betrugszentrum ins nächste transportiert worden sein. Nach den jüngsten Massnahmen kontaktierte die «New York Times» eine Arbeiterin, die in einem der Zentren Menschen auf der ganzen Welt betrügt. Sie sagte: «Das Geschäft läuft normal.»