Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Wahlen, zur Unabhängigkeit und zur Rolle der USA.
Die Welt ändert sich, und dieser rasante Wandel ist bis in die Arktis spürbar. Bis vor wenigen Monaten hätte sich im Ausland wohl kaum jemand für die Wahlen in Grönland interessiert. Doch seit Donald Trump verkündet hat, die Insel kaufen zu wollen, stehen sich internationale Journalisten in Nuuk auf den Füssen herum.
Doch worum geht es bei diesen Wahlen überhaupt? Das sind einige Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Worüber entscheiden die Grönländerinnen und Grönländer im März?
Am 11. März wählt die grönländische Stimmbevölkerung ein neues Parlament, in der Landessprache «Inatsisartut» (auf Deutsch: jene, die das Gesetz machen). Seit 1979, als Grönland einen Autonomiestatus innerhalb des Königreichs Dänemark erhielt, finden auf der Insel alle vier Jahre Wahlen statt. 31 Sitze sind dabei zu vergeben. Stimmberechtigt sind alle volljährigen dänischen Staatsbürgerinnen und -bürger, die seit mindestens sechs Monaten auf der Insel leben.
Das Parlament wählt die Regierung Grönlands und verabschiedet Gesetze. Für die Aussen- und die Verteidigungspolitik der Insel ist Dänemark zuständig. Wie in den Jahren zuvor ist auch beim diesjährigen Wahlkampf die Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark das wichtigste Thema. Die Wahl ist jedoch keine Abstimmung über die Unabhängigkeit.
Weshalb werden die Wahlen vorgezogen?
Eigentlich hätte Grönland im April wählen sollen. Der Ministerpräsident der Insel, Mute B. Egede, schlug dem Parlament Anfang Februar jedoch vor, die Wahlen vorzuverlegen. Der Grund: «die grosse politische Aktivität im In- und Ausland» – der Trubel also, den Donald Trump mit seiner erneuten Ankündigung, Grönland kaufen zu wollen, ausgelöst hat. Alle Parteien stimmten Egedes Vorschlag zu.
Fast zeitgleich mit der Verschiebung des Wahltermins hat das grönländische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das es den Parteien verbietet, finanzielle Zuwendungen von ausländischen oder anonymen Geldgebern anzunehmen. Gelder aus Dänemark sind vom Verbot ausgenommen. Mit dem Gesetz will Grönland verhindern, dass die Wahl von aussen beeinflusst wird. Dies versuchen nicht nur die USA.
Im Februar reiste der Geschäftsführer des australischen Bergbauunternehmens Energy Transition Minerals (ETM) auf die Insel. ETM möchte unweit vom Dorf Narsaq im Kvanefjeld-Massiv seltene Erden abbauen, doch das Erz enthält auch die radioaktiven Elemente Uran und Thorium. Die Regierung hat 2021 die Förderung von Uran verboten und damit das Projekt verhindert. Der Geschäftsführer von ETM droht nun mit Schadenersatzforderungen, falls die Grönländerinnen und Grönländer im März keine Regierung wählen, die das Abbauverbot kippt.
Was bedeuten die Wahlen für Grönlands Unabhängigkeit?
Zunächst nichts. Für die internationalen Medien mag Grönlands Wunsch nach der Unabhängigkeit eine Schlagzeile sein, in der Tat diskutiert die Insel jedoch bereits seit den siebziger Jahren über die Unabhängigkeit. Der Prozess ist lang und kompliziert. Es geht nicht nur um die Staatsgründung. Entscheidend ist auch die Frage, ob Grönland, dessen Wirtschaft sich heute einseitig auf die Fischerei abstützt, finanziell eigenständig bestehen kann.
Der Weg zur Unabhängigkeit wird durch die Parlamentswahl nur indirekt beeinflusst, denn alle Parteien sind sich im Grunde einig: Sie wollen ein unabhängiges Grönland. Im Autonomiestatut von 2009 ist festgehalten, dass Grönland diesen Entscheid unilateral fällen darf. Dazu, wann der Prozess beginnen soll, gibt es jedoch unterschiedliche Meinungen.
Die populistische Partei Naleraq will den Artikel 21 des Selbstverwaltungsgesetzes so schnell wie möglich aktivieren. Der Artikel besagt, dass eine Entscheidung über die Unabhängigkeit von den Menschen in Grönland getroffen werden muss. In einer Abstimmung würden die Grönländerinnen und Grönländer darüber entscheiden, ob die Verhandlungen mit Dänemark über die Details der künftigen Beziehung aufgenommen werden sollen. Das wäre der Beginn eines langen Weges in die Unabhängigkeit.
Naleraq zog nach den letzten Wahlen in die Regierung ein. Die Koalition mit Inuit Ataqatigiit zerbrach jedoch nach weniger als einem Jahr. Ein Grund sollen die unterschiedlichen Haltungen der Parteien gegenüber Dänemark gewesen sein. Inuit Ataqatigiit und ihr neuer Koalitionspartner Siumut streben nach der Unabhängigkeit eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Kopenhagen an.
Welche Rolle spielen die Aussagen von Trump?
Trumps Rhetorik vom Besitz und von der totalen Kontrolle Grönlands hat bei der Bevölkerung Unsicherheit ausgelöst. Zugleich hat der Präsident der Debatte über die Unabhängigkeit zusätzlichen Antrieb verliehen. Klar ist: Die Grönländerinnen und Grönländer wollen keine Dänen sein – Amerikaner aber genauso wenig.
Eine von der dänischen Zeitung «Berlingske» und der grönländischen Zeitung «Sermitsiaq» durchgeführte Umfrage zeigt, dass 85 Prozent der Bevölkerung eine Angliederung Grönlands an die USA ablehnen. Selbst der lauteste (und vielleicht einzige echte) Trump-Fan Grönlands, Jörgen Boassen, will nicht, dass die Insel zum 51. Gliedstaat der USA wird.
Das gestiegene Interesse an der Insel sehen viele jedoch als Chance. So haben sowohl Ministerpräsident Egede als auch die Handelsministerin Naaja Nathanielsen eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA in Aussicht gestellt. Amerikanische Investoren rennten auf der Insel offene Türen ein, sagte Nathanielsen im Gespräch.
Wer regierte Grönland bisher, und was könnte sich ändern?
Grönland wird derzeit von zwei linken Parteien regiert: Inuit Ataqatigiit und Siumut. Sie halten zusammen 22 von 31 Sitzen im Parlament. Inuit Ataqatigiit gewann die Wahlen 2021 mit zwei Themen: den Versprechen, die Unabhängigkeit Grönlands schnell voranzutreiben und die Förderung von Uran zu verbieten. Den Klima- und Umweltschutz hat Ministerpräsident Egede vorangetrieben. Neben dem Abbauverbot für Uran wurden für die Erschliessung von Erdöl- und Gasvorkommen keine neuen Lizenzen vergeben.
Die Opposition bilden die separatistische Partei Naleraq, die liberalen Demokraten und die freiheitliche Partei Atassut. Während Naleraq bei der Unabhängigkeit vorpreschen möchte, vertreten die beiden anderen Oppositionsparteien einen zurückhaltenderen Kurs. Atassut ist die einzige Partei, die am Zusammenschluss mit Dänemark festhalten möchte – vorerst. Grönland sei noch nicht bereit für die Unabhängigkeit, heisst es im Parteiprogramm.
Inuit Ataqatigiit und Siumut sind seit 2009 die dominierenden Kräfte im grönländischen Parlament. Siumut ist seit 1979 mit zwei kurzen Ausnahmen Teil der Regierung. Die beiden Parteien können auf eine treue Wählerschaft zählen. Und auch wenn neue Parteien die Wahl gewinnen und in die Regierung einziehen würden: Die politischen Kräfte auf der Insel sind es gewohnt, zusammenzuarbeiten. Beobachter halten es daher für unwahrscheinlich, dass die Wahl einen grundlegenden Kurswechsel bringt.
Wieso ist das alles wichtig?
Grönland befindet sich unverhofft im Zentrum der Weltpolitik. Die USA, Russland und China: Sie alle haben Interesse an der Arktis. Grönland ist geopolitisch interessant, denn die Insel liegt wie ein Bollwerk aus Eis zwischen Russland und den USA. Wenn das Eis schmilzt, und das tut es immer schneller, wird die Gewinnung der Ressourcen unter dem Eis einfacher. Auch neue Handelswege werden dann frei.
Um unabhängig zu werden, muss die Insel ihre Wirtschaft diversifizieren. Für den Bergbau bedarf es Investitionen aus dem Ausland. Doch bei der Auswahl der Partner muss das aussenpolitisch unerfahrene Grönland vorsichtig sein.
Noch 2021 kündigten die damaligen Koalitionspartner Inuit Ataqatigiit und Naleraq an, dass Grönland entmilitarisiert werden solle. Dieser Pazifismus ist in den letzten Wochen in weite Ferne gerückt. Die alte Weltordnung ist ins Wanken geraten. Nichts illustriert das besser als Trumps Aussage, er könne militärisches Vorgehen nicht ausschliessen, sollte er Grönland nicht kaufen können.