Die italienische Ministerpräsidentin verspricht bei ihrem Besuch in Washington mehr Energieimporte und italienische Investitionen in den USA in der Höhe von 10 Milliarden Dollar. Der Besuch wurde in Europa als Loyalitätstest gesehen.
Macht Giorgia Meloni einen Alleingang – vertritt sie Italy First? Oder reist sie als Teamplayerin für die EU nach Washington? Diese etwas argwöhnischen Fragen ihrer europäischen Regierungskollegen begleiteten die italienische Ministerpräsidentin auf ihrer Reise. Nach dem Besuch kann man sagen: Sie versuchte, beides zu tun. Sie strich die engen Handelsbeziehungen zwischen Italien und den USA hervor und betonte gleichzeitig, es gehe auch um den europäischen Wirtschaftsraum. Meloni hat kein Mandat, für die EU zu verhandeln.
Melonis Mission lautete: Einen Handelskrieg zwischen Italien und den USA sowie zwischen der EU und den USA zu verhindern. Das Angebot von Brüssel, Industriezölle ganz abzuschaffen und einen «null-zu-null»-Tarif zu erreichen, wie es die Kommissionspräsidentin der EU, Ursula von der Leyen, am 7. April vorgeschlagen hatte, lehnte Trump umgehend als ungenügend ab.
Trump schmeichelt Meloni
Schon bei der Begrüssung vor dem West Wing des Weissen Hauses sagte Trump: «Es wird eine Einigung mit Europa geben, hundertprozentig.» Dann zeigte er auf Meloni und sagte: «Eine grossartige Person.» Das anschliessende Mittagessen im Kabinettszimmer dauerte fast doppelt so lang wie geplant – offenbar hatten sich die beiden viel zu sagen.
Im Oval Office war es dann Trump, der seinem Gast schmeichelte: «Eine unserer grossartigsten Verbündeten», sagte er – allerdings nur solange sie regiere, witzelte er. Meloni blieb – verglichen mit früheren europäischen Gästen – betont nüchtern und direkt: Sie dankte Trump für die Annahme einer Einladung nach Rom in «naher Zukunft», wo er auch Vertreter der EU treffen könnte.
Sie appellierte an die gemeinsamen Wurzeln der «westlichen Zivilisation». In Anlehnung an Trumps berühmten Wahlkampfslogan sagte sie: «Mein Ziel ist, den Westen wieder grossartig zu machen. Und ich denke, wir schaffen das zusammen.» Sie lobte die Wende in der Migrationspolitik der EU als wichtigen Schritt und als Zeichen des Reformwillens.
Meloni legt Angebote auf den Tisch
Bezüglich der Zollverhandlungen zeigte sich Trump «hundertprozentig» optimistisch, dass es eine Einigung mit Europa geben werde – was Teil seines üblichen Druckrepertoires ist. Er bekräftigte seine harte Zollpolitik: «Zölle machen uns reich.» Auch eine Einigung mit China sei grundsätzlich möglich.
Meloni hingegen skizzierte Wege, den Handelsbilanzüberschuss Italiens zu reduzieren: durch höhere LNG-Importe, Kooperationen in Nukleartechnologie und Weltraumverteidigung. Zudem versprach sie italienische Investitionen in den USA im Umfang von zehn Milliarden Dollar.
Die EU steht vor heiklen Verhandlungen während des 90-tägigen Moratoriums für Strafzölle, das Trump am 9. April verkündete – eine Woche nachdem er einen Zollkrieg entfacht hatte, der Börsen- und Obligationenmärkte erschütterte. Geplant ist ein pauschaler 20-Prozent-Zoll auf EU-Importe, zusätzlich zu den bestehenden 10 Prozent.
Giorgia Meloni hat sich gewissenhaft für das Treffen mit Donald Trump vorbereitet. Schon vergangene Woche war ihre Reise nach Washington Thema einer Kabinettssitzung gewesen. Jeder Ressortchef war dazu aufgefordert, seine Ideen für die Gespräche mit Trump zu äussern. Auch die Vertreter der italienischen Unternehmerschaft hat die Regierungschefin konsultiert – und sich schliesslich mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen abgestimmt.
Nationalkonservative Brückenbauerin
Das Treffen mit Donald Trump ist das vierte seit Anfang Dezember – Meloni besuchte ihn nach seiner Wahl in Mar-a-Lago und nahm als einziges europäisches Staatsoberhaupt an der Inauguration von Trump teil. Fotos von den letzten Treffen zeigen die beiden jeweils in engagierte Gespräche vertieft. Angesichts von Trumps unzimperlichem Vorgehen gegenüber Europa waren die Erwartungen an Melonis Reise hoch.
In Brüssel galt ihr Besuch als Loyalitätstest. Meloni verschafft sich bei Trump Gehör, da sie zentrale Werte teilt, wie die EU-Skepsis und ein konservatives Weltbild. So zeigte sie auch Verständnis für die harschen Worte von Vizepräsident J. D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Bemerkenswert ist auch, dass sie Italiens Anbindung an China zurückfährt – offenbar ein Zeichen der Loyalität gegenüber Trumps harter China-Linie.
Zugleich ist Trumps Zollkrieg besonders für Italien ein grosses Problem. Die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Exportmarkt. Für die USA ist das Handelsbilanzdefizit mit Italien ebenfalls bedeutend: es ist das drittgrösste unter den europäischen Ländern – unter anderem, weil die Amerikaner eine besondere Vorliebe für italienischen Wein, Parmigiano und Mode haben.
In Italien erwartete man, dass Meloni sich für die nationalen Interessen einsetzt – dass die Kompetenz dafür in Brüssel liegt, kümmert insbesondere ihren Koalitionspartner Matteo Salvini wenig. Dieser drängt die Regierungschefin auf noch mehr Nähe zu Trump, auf Kosten der Beziehungen zu Brüssel. Bisher ist es Meloni recht gut gelungen, eine Balance zu halten, auch etwa indem sie sich für ihre Migrationspolitik die Unterstützung der EU-Kommission holte und eindeutig für die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland stand.
Meloni will Rüstungsziel der Nato einhalten
Doch seit die USA Gespräche mit Russland aufgenommen haben, wirkt Melonis Kurs wackliger. Im März verweigerte sie erstmals einem neuen Sanktionspaket gegen Russland die Zustimmung. Ihre Teilnahme an Krisengipfeln wirkte lustlos. Die Idee von europäischen Schutztruppen in der Ukraine lehnt sie ab – solange die USA nicht mitmachen.
In Washington sagte Meloni nun, Italien unterstütze Trumps Bemühungen um einen Waffenstillstand vollständig. Sie versprach, die Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des BIP zu erhöhen, wie es die Nato verlangt. Aktuell liegt Italien bei 1,49 Prozent – eines der Schlusslichter im Bündnis.
Am Freitag geht die italienisch-amerikanische Beziehungspflege weiter. Giorgia Meloni ist zurück in Rom und empfängt Trumps Stellvertreter J. D. Vance, der gemeinsam mit seiner Frau Italien besucht. Offizielle Gespräche sind geplant – möglicherweise auch ein Besuch im Vatikan.