Der Krieg, der womöglich bis zu 150 000 Menschenleben gekostet hat, trifft erstmals den Zufluchtsort Port Sudan.
Die Rapid Support Forces (RSF), eine der beiden Kriegsparteien im Sudan, decken seit Sonntag die Hafenstadt Port Sudan mit Drohnenangriffen ein. Die Bomben haben unter anderem den Flughafen, Militärbasen, ein Benzindepot und ein Hotel getroffen. Über der Stadt wabern jeweils Rauchwolken, der Strom fiel aus.
Die Angriffe stellen eine nächste Eskalation im Sudan-Krieg dar, der seit 2023 das drittgrösste Land Afrikas zerreisst. Der Krieg hat laut manchen Schätzungen bereits 150 000 Menschenleben gefordert und eine der grössten je da gewesenen humanitären Krisen ausgelöst. Mehr als 13 Millionen Menschen sind durch die Kämpfe zwischen der hochgerüsteten Miliz RSF und der nationalen Armee vertrieben worden.
Port Sudan, die drittgrösste Stadt des Landes, war bisher von Angriffen verschont geblieben. Die Stadt dient seit zwei Jahren als De-facto-Hauptstadt. Nachdem die Armee von den RSF aus der Hauptstadt Khartum verdrängt worden war, verlegte sie ihr Hauptquartier in die Stadt am Roten Meer. In Port Sudan befinden sich auch Regierungseinrichtungen, die Büros humanitärer Organisationen und diplomatische Vertretungen. Zudem haben Hunderttausende Vertriebene in Flüchtlingslagern bei Port Sudan Zuflucht gefunden.
Die RSF verfügen neu über chinesische Drohnen
Die Drohnenangriffe auf Port Sudan haben dazu geführt, dass der Flughafen, über den auch Hilfsgüter ins Land gelangen, geschlossen wurde. Die Afrikanische Union erklärte am Dienstag, die Angriffe stellten eine «gefährliche Eskalation des laufenden Konflikts» dar. Sie seien eine direkte Bedrohung für Zivilisten und die humanitäre Hilfe.
Die Attacken treffen auch die sudanesische Arme empfindlich. Sie schien in dem Krieg, dessen Frontverlauf zeitweise fast eingefroren war, die Oberhand zu gewinnen. Im März eroberte sie das Zentrum Khartums und den dortigen Präsidentenpalast zurück – es war ihr grösster Sieg seit Kriegsbeginn. Die Armee eroberte auch andere Gebiete im Zentrum und im Süden des Landes zurück, die sie zu Beginn des Krieges an die RSF verloren hatte.
Die Drohnenangriffe auf Port Sudan zeigen nun aber, dass der Krieg so bald nicht enden wird. Die in die Defensive geratenen RSF setzen neuerdings chinesische Langstreckendrohnen ein, die mutmasslich von RSF-Basen im Westen des Landes starten, wo die Miliz am stärksten ist. Vor Port Sudan haben die RSF andere Städte und einen Damm auf diese Weise angegriffen. Die Armee beschuldigt die Vereinigten Arabischen Emirate – den wichtigsten ausländischen Sponsor der RSF –, die Miliz mit den Drohnen auszustatten.
Die Armee verliert auch vor Gericht
Der Krieg weitet sich auch abgesehen von den Drohnen – die auch die Armee verstärkt einsetzt – aus. Die RSF griffen im April das Vertriebenenlager Samsam im Westen des Landes an, in dem eine halbe Million Menschen lebten. Dabei soll die Truppe mindestens 300 Zivilisten zum Teil gezielt getötet haben.
Selbst der Südsudan, der sich 2011 nach mehreren Bürgerkriegen vom Sudan abgespaltet hatte, wird zunehmend in den Konflikt hineingezogen. Kämpfer aus dem Südsudan beteiligten sich sowohl auf der Seite der RSF als auch auf jener der Armee am Krieg. Der südsudanesische Präsident Salva Kiir scheint dabei für die RSF Partei zu ergreifen. In den vergangenen Monaten ist auch im Südsudan mehr Gewalt aufgeflammt. Anfang Mai wurde ein Spital der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen im Norden des Landes angegriffen, wobei mindestens sieben Personen starben. Es war vorerst unklar, wer für das mutmassliche Kriegsverbrechen verantwortlich war.
Der Sudan-Krieg wird auch vor internationalen Gerichten ausgetragen. Dort hat die Armee am Montag einen weiteren Rückschlag erlitten. Sie hatte vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gegen die Vereinigten Arabischen Emirate geklagt, weil diese mit ihrer Unterstützung der RSF angeblich einen Genozid ermöglichen. Die RSF haben seit Kriegsbeginn Massentötungen und ethnische Säuberungen in Darfur verübt – die unter anderem die USA als Genozid bezeichnet haben. Die Richter in Den Haag entschieden aber, ihnen fehle die Zuständigkeit für den Fall, weil sich die Emirate aus einem Teil der Genozid-Konvention zurückgezogen hätten, der zulässt, dass Staaten andere Staaten verklagen können. Am Dienstag gab