Zwei Volksinitiativen wollen das Bargeld stärker in der Verfassung verankern. Einschneidend ist vor allem die Forderung, dass Geschäfte Bargeldzahlungen akzeptieren müssen.
Bargeld hat Charme. Es ist anonym, es ist breit zugänglich, man weiss, was man hat, es funktioniert auch bei Störungen elektronischer Systeme, und es ist für das breite Publikum das einzige gesetzliche Zahlungsmittel. Der Bundesrat und die Nationalbank haben denn auch schon wiederholt betont, dass ihnen der Fortbestand der Barzahlung selbst im Zeitalter von Online-Handel und Bezahl-Apps ein Anliegen ist.
Doch für die Privathaushalte hat das Bargeld als Zahlungsmittel an Bedeutung verloren. Nebst der technischen Entwicklung war auch die Pandemie ein zentraler Faktor. Gemäss der jüngsten Auflage des «Swiss Payment Monitor» der Universität St. Gallen und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sank der Anteil der Barzahlungen von Privatpersonen bei Einkäufen in physischen Geschäften von 52 Prozent 2019 auf noch 29 Prozent gegen Ende 2023. Dies, gemessen an der Zahl der Transaktionen. Erhebungen der Nationalbank zeigen laut Bundesangaben einen Rückgang von 70 Prozent im Jahr 2017 auf 36 Prozent 2022.
Bargeld spielt auch als Wertaufbewahrungsmittel eine Rolle. Wer dem Bankensystem nicht voll traut, will für alle Fälle noch etwas Bargeld unter der Matratze haben. Der Umlauf von Schweizer Banknoten, gemessen an der Grösse der Schweizer Volkswirtschaft, ist seit dem Spitzenwert der 1940er Jahre von rund 25 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf etwa 7 Prozent in den 2000er Jahren gesunken. Nach der Finanzkrise 2008/09 nahm der Umlauf wieder etwas zu. 2023 belief er sich auf rund 10 Prozent des BIP. Etwa die Hälfte entfällt auf Tausendernoten. Diese sind vor allem als Wertaufbewahrungsmittel im In- und Ausland interessant.
Kernforderungen erfüllt
Das Volk wird sich bald politisch mit dem Bargeld beschäftigen können. Der Treiber sind zwei Volksinitiativen der «Freiheitlichen Bewegung Schweiz». Die Kerngruppe wird vom Informatiker Richard Koller präsidiert und umfasst laut ihm nur fünf Personen. Die Gruppe ist diesen Monat mit ihrer Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» an der Urne klar gescheitert (fast 74 Prozent Nein-Stimmen). Die Initiative wollte vor allem verhindern, dass es eine Impfpflicht gibt.
Mit dem Bargeldthema hat die Gruppe bisher mehr Erfolg gehabt. Ihre erste Initiative dazu reichte sie 2023 mit rund 137 000 beglaubigten Unterschriften ein. Die Initiative stellt zwei Forderungen: Der Bund muss Münzen oder Banknoten immer in genügender Menge zur Verfügung stellen, und der Ersatz des Schweizerfrankens durch eine andere Währung muss Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet werden.
Im Bundesrat rennt die Initiative im Prinzip offene Türen ein. Laut der Regierung sind die zwei Forderungen im Prinzip schon jetzt im Gesetz verankert. Aber der Bundesrat zeigt sich bereit, die Sache auf die Verfassungsstufe zu heben. So lehnt er zwar die Volksinitiative ab, doch er hat am Mittwoch seinen Gegenentwurf für eine Verfassungsänderung ans Parlament geschickt. Der Gegenentwurf besteht aus zwei simplen Sätzen: «Die schweizerische Währung ist der Franken. Die Schweizerische Nationalbank gewährleistet die Bargeldversorgung.» Dieser Vorschlag ist in der Vernehmlassung auf breite Unterstützung gestossen.
Damit scheinen die zwei Forderungen der Initiative erfüllt zu sein. Doch der Initiant Richard Koller zeigte sich auf Anfrage nicht befriedigt. Die Variante des Bundesrats rede nur von «Franken» statt von «Schweizerfranken», und der Regierungstext sage nicht ausdrücklich, dass ein Währungswechsel das Volks- und das Ständemehr brauchen würde. Der Gegenentwurf des Bundesrats reicht laut Koller nicht zum Rückzug der Initiative.
Wenn die Währung in der Verfassung steht, ist indes klar, dass ein Wechsel der Währung eine Verfassungsänderung braucht – und jede Verfassungsänderung verlangt das Volks- und das Ständemehr. Ob man «Franken» oder «Schweizerfranken» sagt, scheint derweil von geringer Relevanz zu sein. Laut dem Initianten Koller ist der Franken nur eine «Einheit», während der Schweizerfranken eine «Währung» sei. Der Bundesrat betont dagegen, dass auf Noten und Münzen die Rede von «Franken» sei. Auch das massgebende Gesetz, das die Währung definiere, rede von Franken.
Der grosse Konflikt kommt noch
Die Diskussion über die vorliegende Initiative ist ein Aufgalopp. Der Gegenentwurf des Bundesrats soll nicht zuletzt die Bargeldanhänger beruhigen und als Argument gegen weitergehende Forderungen dienen. So dürfte die zweite Bargeld-Initiative der Gruppe um Richard Koller grosse Kontroversen auslösen. Diese Initiative fordert im Kern, dass im Detailhandel und bei anderen Verkaufspunkten mit möglichen Direktbezügen von Produkten und Dienstleistungen die Verkäufer Bargeld als Zahlungsmittel akzeptieren müssen.
Das wäre ein weitgehender Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit. Zurzeit gibt es zwar im Grundsatz eine solche Akzeptanzpflicht, aber die Beteiligten können eine andere Abmachung treffen. Wenn also ein Geschäft gut sichtbar ein Schild «Keine Bargeldzahlungen akzeptiert» anbringt und der Kunde trotzdem etwas kauft, gilt das als massgebende Abmachung. Der Nationalrat hat 2022 eine Motion aus der SVP für eine Bargeldannahmepflicht klar abgelehnt.
Die zweite Bargeld-Volksinitiative enthält überdies Vorgaben für Bezugsmöglichkeiten von Banknoten – zum Beispiel in Städten «alle 2 Kilometer» und in Gemeinden mit weniger als 1000 Einwohnern «innerhalb von 15 Minuten mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln».
Bisher 70 000 Unterschriften
Diese Initiative ist noch im Sammelstadium. Koller deutet an, dass seine Gruppe derzeit rund 70 000 Unterschriften gesammelt hat. Er zeigt sich überzeugt, bis zum Ablauf der Sammelfrist im September auf 120 000 oder mehr Unterschriften zu kommen. Bei der ersten Bargeld-Initiative habe man in den letzten zwei bis zweieinhalb Monaten der Sammelfrist noch etwa 80 000 Unterschriften hereingeholt.
Der Bundesrat hat 2022 in einem Bericht zur Akzeptanz von Bargeld in der Schweiz mit Verweis auf nordeuropäische Länder eingeräumt, dass es eine «Negativspirale» mit zunehmenden Einschränkungen von Bargeldzahlungen in Geschäften geben könne. Einschränkungen in der Schweiz seien aber selten zu beobachten. Laut der jüngsten Firmenerhebung der Nationalbank akzeptierten 2023 nach wie vor über 90 Prozent der Anbieter im Präsenzgeschäft Barzahlungen. Das meistgenannte Motiv war das Kundenbedürfnis, es folgten Zuverlässigkeit, Verrechnungstempo und Gesamtkosten.
Die Kostenfrage kann man allerdings auch anders sehen; einiges hängt hier von der Kostendefinition ab. Gemäss einer Studie der Universität St. Gallen von diesem Januar sind die Gesamtkosten pro Transaktion und gemessen am betroffenen Umsatz bei Barzahlungen deutlich höher als etwa bei Zahlung mit Debitkarten oder auch mit Kreditkarten.