Der Parteitag der Republikaner in Milwaukee beginnt. Während die Demokraten mit Joe Biden hadern, schliessen sich die konservativen Reihen hinter Trump. Die Delegierten sind stolz auf ihren unverwüstlichen Kandidaten.
Am Tag nach dem gescheiterten Attentat auf Donald Trump reisten bereits viele der rund 2500 republikanischen Delegierten nach Milwaukee. In der Stadt am Westufer des Michigansees findet bis zum Donnerstag der Parteitag der Konservativen statt. Bereits am Sonntag war das Zentrum grossräumig mit hohen Metallzäunen und Betonelementen abgesperrt. Ein grosses Polizeiaufgebot sorgte für Sicherheit.
Angereist ist auch Rhonda Jett aus Florida. Sie ist Bezirksvorsteherin der Republikanischen Partei im Clay County und nun Delegierte am Parteitag. Sie glaubt, dass das gescheiterte Attentat auf Trump die Republikaner eint und mobilisiert. Entscheidend scheint dabei vor allem, wie der ehemalige Präsident nach dem Streifschuss reagierte: «Wie er seine Faust in den Himmel gereckt hat. Jeder Patriot, der zuvor schlief, ist jetzt wach», erzählt Jett in einer Hotellobby in Milwaukee.
Vergleich mit Lincoln und Kennedy
Zur Delegation aus dem Clay County gehört auch die Krankenschwester Erin Skipper, die Mitglied der Schulbehörde ist. Sie ist von Trumps Reaktion ebenfalls beeindruckt. Nachdem er wieder aufgestanden sei, habe sich der ehemalige Präsident gegen seine Personenschützer gestemmt, um zu seinen Leuten zu sprechen. «Kämpft, kämpft, kämpft!», schrie Trump mit erhobener Faust. «Er hat im Chaos die Ruhe bewahrt. Und das macht einen echten Anführer aus», meint Skipper. Mit einem Seitenhieb auf Joe Biden fügt sie an: «Er fällt nicht um oder stolpert blubbernd durch seine Reden.»
Brady White, ein 19-jähriger Student der Internationalen Beziehungen, begleitet die Delegation aus Florida ebenfalls. Man müsse sich anschauen, welche Präsidenten in der Vergangenheit zur Zielscheibe von Attentätern geworden seien, so holt White aus. Abraham Lincoln und John Kennedy seien ermordet worden. Auf Ronald Reagan habe es einen versuchten Anschlag gegeben. «Mit diesen Leuten befindet sich Trump in guter Gesellschaft.» Lincoln, Kennedy und Reagan hätten das Jahrzehnt geprägt, in dem sie Präsident waren. «Sie waren so effektiv, dass sie nur auf eine Weise gestoppt werden konnten.»
Offensichtlich will Trump diesen Moment nun auch nutzen, um nicht nur die Partei, sondern auch das Land hinter sich zu bringen. «Unite America!» – «Vereinige dich, Amerika!» –, schrieb der 78-Jährige am Sonntag auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. Nach dem Anschlag wollte Trump eigentlich erst zwei Tage später nach Milwaukee reisen. Aber dann änderte er seine Meinung. «Ich habe entschieden, dass ein potenzieller Mörder uns nicht zwingen darf, unsere Agenda oder irgendetwas sonst zu ändern.»
Wie am Sonntag bekanntwurde, soll nun auch die ehemalige Präsidentschaftsbewerberin Nikki Haley am Dienstag am Parteitag eine Rede halten. Trumps ehemalige Uno-Botschafterin war in den republikanischen Vorwahlen die härteste Konkurrentin und schärfste Kritikerin des ehemaligen Präsidenten. Trump sei «toxisch», und es fehle ihm die notwendige «moralische Klarheit», sagte Haley unter anderem. Die USA würden eine weitere Amtszeit mit ihm nicht überleben. Im Mai kündigte die frühere Gouverneurin von South Carolina jedoch an, dass sie im November für Trump stimmen werde. Vergangene Woche erteilte Haley ihren Delegierten die Freigabe, damit sie am Parteitag Trump als Präsidentschaftskandidaten nominieren können. Kurz nach dem gescheiterten Attentat am Samstag schrieb sie auf X: «Wir schliessen Donald Trump, die ganze Familie Trump und alle Anwesenden in unsere Gebete ein.»
Was Haley am Dienstag in ihrer Rede genau sagen wird, muss sich zeigen. Allein durch ihren Auftritt dürfte sie aber die Gräben in ihrer Partei, die sie auch selbst aufgerissen hat, zumindest ein Stück weit zuschütten.
Wahl des möglichen Vizepräsidenten als Gradmesser
Um den historischen Moment nicht allein Trump zu überlassen, wendete sich Präsident Biden am Sonntag seinerseits mit einer sechsminütigen Fernsehansprache aus dem Oval Office an die Nation. Auch er rief zur Einigkeit auf und verurteilte nochmals jegliche politische Gewalt. Er forderte die Amerikaner auf, «einen Schritt zurück zu machen», um die Temperatur im Wahlkampf abzukühlen. «Wir sind keine Feinde, wir sind Nachbarn.»
Meinungsunterschiede gehörten zu einer Demokratie, meinte Biden. Aber sie müssten an den Wahlurnen und nicht mit Kugeln entschieden werden. «Die Politik darf nie zu einem Schlachtfeld werden.» Der Präsident rief die Amerikaner dazu auf, ihre Silos zu verlassen, «in denen wir nur jenen zuhören, mit denen wir gleicher Meinung sind».
Am Parteitag der Republikaner muss sich nun aber zeigen, wie nachhaltig diese Aufrufe zur Einigkeit wirklich sind. Im Gegensatz zum Attentat auf Reagan 1981 sei es dieses Mal wahrscheinlicher, dass der Anschlag auf Trump das Land noch mehr spalte, analysierte am Sonntag die «New York Times». Viele Republikaner warfen den Demokraten vor, den Hass auf Trump geschürt zu haben, indem sie ihn als Gefahr für die Demokratie und als künftigen Diktator bezeichneten. Angesichts seiner Rolle beim Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 sind diese Ängste allerdings nicht ganz unbegründet. Trump hatte seine politischen Gegner zudem als «Ungeziefer» bezeichnet und ihnen mit «Vergeltung» gedroht.
Trumps Auftreten am Parteitag wird deshalb ein erster Gradmesser dafür sein, ob er bereit ist, seine eigene Rhetorik zu mässigen, oder nicht. Ein erster Hinweis auf seine künftige Strategie könnte dabei auch sein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten sein. Allgemein wird erwartet, dass Trump diese Personalie am Montag bekanntgeben wird. Als Favoriten gelten der Senator J. D. Vance, der Gouverneur von North Dakota, Doug Burgum, oder der Senator Marco Rubio. Vance verdankt seine noch junge politische Karriere praktisch ausschliesslich Trump und polarisiert wie sein Vorbild gerne. Insbesondere zeichnete er sich auch als scharfer Kritiker der Ukraine-Hilfen aus. Rubio hingegen war bereits 2016 selbst Präsidentschaftskandidat und gilt im Kern noch als Republikaner der alten Schule. Burgum ist ein vermögender Unternehmer, der in den republikanischen Vorwahlen als Präsidentschaftsbewerber eine eher blasse Figur war. Er dürfte die Wähler kaum inspirieren und kaum grössere politische Ambitionen hegen.
Mithilfe von Rubio könnte Trump vermutlich breitere Wählerschichten ansprechen, mit Vance dürfte ihm dies weniger gelingen. Es könnte sich also bald zeigen, ob Trump zur Mitte rückt und sich mässigt. Oder ob er seinen konfrontativen Kurs aus den Vorwahlen weiterführt.








