Die Richterin in Florida bedient sich einer umstrittenen Rechtstheorie und bestreitet die Legitimität des Sonderermittlers Jack Smith. Damit muss sich Trump bis zur Wahl keinen Prozessen mehr stellen.
Donald Trump reitet auf einer Welle des Glücks. In den letzten Wochen hat sein politischer Rivale Joe Biden seine erneute Präsidentschaftskandidatur durch misslungene öffentliche Auftritte selbst zerlegt. Am Samstag entkam Trump um Zentimeter dem Tod, als die Kugel eines Attentäters sein Ohr streifte. Am Montag nun stellte die Bundesrichterin Aileen Cannon in Florida Knall auf Fall den Strafprozess ein, der Trump noch am gefährlichsten hätte werden können.
Der von Justizminister Merrick Garland im November 2022 eingesetzte Sonderermittler Jack Smith hatte Trump im Juni und Juli 2023 in insgesamt 40 Punkten angeklagt. Das Verfahren drehte sich um die Tatsache, dass Trump Hunderte offizielle und teilweise streng geheime Dokumente aus seiner Amtszeit im Weissen Haus mitgenommen und ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen in seinem Privathaus Mar-a-Lago in Florida aufbewahrt hatte.
Auf die Aufforderungen des Nationalarchivs, die Dokumente herauszugeben, machten Trump und seine Anwälte wiederholt falsche Angaben. Auch gerichtliche Anordnungen und eine Untersuchung des FBI wurden laut der Anklageschrift durch Trump und seine Mitarbeiter aktiv behindert, indem wiederholt falsche Angaben gemacht und Dokumente versteckt wurden. Zudem habe Trump Anweisungen zum Zerstören von Beweismitteln gegeben.
Ziemlich klare Beweislage
Der Fall galt aus zwei Gründen als das gefährlichste von vier Strafverfahren gegen Trump. Erstens ist Justizbehinderung ein Verbrechen, das mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden kann, und die Beweislage ist ziemlich klar. Zweitens gehen die Vorwürfe auf Trumps Verhalten nach Ende seiner Präsidentschaft zurück. Sie sind somit nicht durch den umstrittenen Entscheid des Supreme Court von Anfang Juli gedeckt, der die nicht in der Verfassung vorgesehene Immunität von Präsidenten erstmals höchstrichterlich festlegte und sehr weitgehend definierte.
Aus diesem Grund entwickelten konservative Juristen in den letzten Monaten eine Theorie, die Handhabe gegen diesen Prozess liefern sollte. Sie stellen sich auf den Standpunkt, die Bestellung des unabhängigen Sonderermittlers Smith habe aus formalen Gründen gegen die Verfassung verstossen. Smith sei deshalb nicht autorisiert gewesen, die Anklage gegen Trump einzureichen. Bei dieser Theorie geht es um die formale Frage, ob Smith ein «hoher» oder ein «niedriger» Bundesbeamter ist. In ersterem Fall hätte seine Einsetzung durch den Senat bestätigt werden müssen, in letzterem nicht.
Sonderermittler wurden seit Ende der neunziger Jahre jeweils nach dem gleichen Verfahren eingesetzt wie Smith, auch von republikanischen Justizministern, ohne dass sich die Republikaner daran gestört hätten. In mehreren Gerichtsurteilen, in denen Parteien in der Vergangenheit gegen Anklagen von Sonderermittlern vorgingen, wurde die nun vorgebrachte Theorie bereits abgewiesen. Das hinderte Richterin Cannon nicht daran, die Präzedenzfälle zu ignorieren und den Prozess gegen Trump aufzuheben.
Trump wird nicht mehr behelligt
In ihrem Urteil widmet sie sich gar nicht den Vorwürfen gegen Trump. Sie diskutiert allein die Frage, ob der Sonderermittler Smith rechtmässig bestellt worden sei. Dabei übernimmt sie die Rechtstheorie der konservativen Juristen und kommt zum Schluss, Smith sei ein hoher Bundesbeamter und hätte deshalb vom Senat bestätigt werden müssen.
Smith dürfte gegen den Entscheid Einspruch erheben, womit er bis zum Supreme Court gelangen könnte. Wie dieser urteilen würde, ist nicht absehbar. Nur ein Richter, der Konservative Clarence Thomas, hatte unlängst in einem Anhang zu einem Urteil deutlich gemacht, dass er derselben Theorie anhängt und darin eine Möglichkeit sieht, die Anklagen gegen Trump zu stoppen.
Der Entscheid von Richterin Cannon gilt unter Juristen als sehr ungewöhnlich. Allerdings war schon ihre ganze bisherige Prozessführung darauf hinausgelaufen, den ursprünglich für Mai 2024 angesetzten Prozess zu verzögern. Ein Prozessbeginn vor dem Wahltag im November war deshalb schon vor diesem letzten Paukenschlag sehr unwahrscheinlich.
Die heute 43-jährige Richterin war von Trump in seinem letzten Amtsjahr nominiert worden, obschon sie über praktisch keine Erfahrung verfügte. Dass sein Fall ausgerechnet ihr zugewiesen wurde, hat sich nun als grosser Glücksfall für Trump erwiesen. Er wird nach diesem Urteil bis zum Wahltag mit Sicherheit nicht mehr davon behelligt werden. Wenn er im November als Präsident gewählt wird, kann er mit seiner dadurch erlangten Macht das Verfahren gegen sich selbst ganz einstellen lassen.








