Für die Konsumgüterindustrie sind sie ein Segen: Junge Konsumenten, die ihre Haustiere verhätscheln. Wirtschaftlich und gesellschaftlich wünschenswert wäre, wenn sie dereinst auch noch Kinder kriegen würden.
Buggys für Hunde und Katzen? Der Anblick von Tierliebhabern, die ihren Vierbeiner in einer Art Kinderwagen spazieren führen, mag da und dort noch Kopfschütteln auslösen. Doch die besonders für Hundewelpen konzipierten Buggys tauchen vor allem in Grossstädten immer häufiger auf. Auffallend ist, dass ihre jungen Besitzerinnen – Männer sind damit kaum unterwegs – zugleich so gut wie nie Kinder dabei haben.
Der Hund im Wägelchen ist gleichzeitig wohl nur eine der extremsten Erscheinungen eines wachsenden Trends in städtischen Milieus: nämlich, dass junge Leute zunehmend eher einen Vierbeiner halten als Kinder haben.
Geld für Haustiere fliesst in Strömen
Angehörige der Generationen Y und Z, auch Millennials beziehungsweise Zoomer genannt, scheinen geradezu vernarrt in Katzen und noch mehr in Hunde zu sein. In den USA, die schon immer als besonders tierliebend galten, ist der Anteile der Haushalte mit einem Haustier in den letzten 30 Jahren von 56 auf knapp 70 Prozent gestiegen. In den meisten dieser Haushalte leben jüngere Personen.
Für die vielen Vierbeiner fliesst das Geld in Strömen. Statistiker der US-Behörde Bureau of Economic Analysis haben herausgefunden, dass die Amerikaner mit fast 190 Milliarden Dollar pro Jahr inzwischen mehr Geld für Haustiere als für Kinder ausgeben.
Zahlen aus europäischen Ländern liegen noch nicht vor. Allerdings ist anzunehmen, dass Statistiker in Europa bald zu ähnlichen Schlüssen kommen werden. Auch in der Schweiz, Deutschland, Italien oder in Grossbritannien haben sich die Hunde- und Katzenpopulationen vor allem seit der Corona-Pandemie stark vergrössert. Als man wegen der Lockdowns kaum mehr das Haus verlassen konnte, schauten sich besonders Alleinstehende, aber auch viele Paare nach einem Begleiter um.
Mit dem Hund ins Bett?
Mittlerweile sind die Vierbeiner zu festen Mitgliedern der Haushalte geworden, in denen sie leben. Für ihre Halter sind sie derart wichtig, dass sie, wie es ein Manager von Mars – der weltgrösste Hersteller von Hunde- und Katzenfutter – treffend formuliert hat, den Aufstieg «nicht nur vom Hinterhof ins Wohnzimmer, sondern mittlerweile sogar ins Schlafzimmer» geschafft haben.
Manche Hunde und Katzen dürfen sich nun direkt am Boden neben ihrem Herrchen oder Frauchen schlafen legen oder sich sogar ins Bett zu ihnen begeben. Wer dermassen verwöhnt wird, für den ist auch nur das Beste beim Fressen recht. So wird der Speisezettel im Bereich der Tiernahrung immer reichhaltiger. Dass Hunde oder Katzen mit den Essresten ihrer Halter vorliebnehmen müssen, kommt fast nur noch in armen Ländern vor.
Mars und Nestlé profitieren
Für die Unternehmen, die sich um das leibliche Wohl sowie weitere Bedürfnisse der Vierbeiner wie die Pflege und medizinische Behandlungen kümmern, ist der Haustier-Boom ein Segen. Der US-Konsumgüterkonzern Mars ist zwar noch immer am meisten für seine Schokoladenriegel bekannt, doch erwirtschaftet er mittlerweile zwei Drittel des Umsatzes mit Heimtieren. Bei den Konkurrenten Nestlé und Colgate-Palmolive ist es je ungefähr ein Fünftel. Der Schweizer Riese Nestlé, bei dem vor wenigen Wochen der Chef wegen mangelnder Leistung Knall auf Fall gehen musste, wäre ohne die Erfolge seiner Tierfuttersparte an der Börse wohl noch stärker unter Druck geraten.
Gute Vorbereitung für die Familiengründung
Die meisten Marktbeobachter rechnen mit weiter kräftig steigenden Ausgaben im Heimtierbereich. In der Vivenser Konzernzentrale von Nestlé wird man das gerne hören, ebenso wie bei Mars und Colgate.
Und die Familiengründung, bleibt sie auf der Strecke? Viele junge Paare könnten sich tatsächlich sagen, ein Hund oder eine Katze reiche für ihr gemeinsames Glück. Dennoch wäre es falsch, bereits den demografischen Untergang auszurufen. Wirtschaft und Gesellschaft brauchen Kinder, um sich stetig weiterzuentwickeln. Wenn sich ein Paar gemeinsam um ein Haustier kümmert, wird es dadurch zusammengeschweisst. Und wer weiss, vielleicht wächst damit auch die Lust auf mehr.