Der junge französische Premierminister Gabriel Attal kommt kaum aus den Startlöchern. Die Frontfrau des Rassemblement national läuft ihm den Rang ab mit Themen, die den Franzosen unter den Nägeln brennen.
Emmanuel Macron ist zurzeit vor allem im Ausland unterwegs. Daheim soll der neue, junge Premierminister Gabriel Attal unterdessen die Regierungsgeschäfte vorantreiben. Er habe dafür die richtige Dynamik und genug Energie, erklärte Macron bei dessen Ernennung vor drei Wochen.
Kurz nach Amtsantritt wurde Gabriel Attals Dynamik jedoch bereits von brennenden Strohballen und Traktoren auf der Autobahn jäh gebremst. Frankreichs Bauern warteten mit ihren Forderungen nicht einmal bis zur obligaten Regierungserklärung, die jeder neue Premierminister zu Beginn seiner Amtszeit hält, um darzulegen, wie er im Namen seines Chefs Frankreichs Politik ausgestalten will. Am Mittwoch trat Attal dafür vor das versammelte Parlament. Die Landwirte sicherten sich bereits vorher unter anderem 100 Millionen Euro Soforthilfen und fordern noch mehr.
Attals Regierungserklärung drohte entsprechend von den Klagen der Bauern dominiert zu werden. Der 34-Jährige versprach ihnen denn auch einen «französischen Sonderweg» in der Agrarpolitik und mehr Schutz vor Wettbewerbsdruck und Preiskampf. Hauptsächlich richtete er sich aber an die Mittelklasse, deren Einkommen steigen soll, indem sie künftig weniger Steuern zahlen muss.
Auch wenn der Inhalt seiner Erklärung teilweise diesen Anschein machte: Der Premierminister will das Rad der Zeit nicht ganz zurückdrehen. Er sparte, ähnlich wie Emmanuel Macron zwei Wochen zuvor bei seiner Pressekonferenz, nicht an patriotischen Äusserungen zu Frankreich. Jedoch brach er auch eine Lanze für Europa. «Weniger Europa bedeutet weniger Macht für Frankreich», so der Politiker, der einen «Frexit», wie ihn das Rassemblement national (RN) insgeheim anstrebe, verurteilte. Dass die französische Gesellschaft ausserdem fähig zu Veränderung sei, zeige alleine schon das Beispiel, dass es im Jahre 2024 möglich sei, Premierminister zu sein und offen homosexuell zu leben.
An Le Pen perlt Kritik ab
Attal zeigte sich bemüht um Abgrenzung gegen rechts aussen. Doch egal, was die Regierung derzeit unternimmt, in der Gunst der Wähler gewinnt das Rassemblement national und allen voran Marine Le Pen. Gemäss einer am Mittwoch erschienenen Umfrage ist die ehemalige Präsidentschaftskandidatin inzwischen die beliebteste Politikerin Frankreichs. Auf Rang 3 und 4 folgen der RN-Präsident Jordan Bardella und Marion Maréchal, Le Pens Nichte und Kandidatin bei den Europawahlen.
Le Pens Beliebtheit ist keineswegs eine Momentaufnahme. Ihre Partei punktet bei den Themen, die den Franzosen derzeit wichtig sind. Bei seinen regelmässigen Auftritten am Rande der Bauernproteste wird der RN-Präsident Bardella für seine äusserst kritische Haltung gegenüber der EU, dem Freihandel mit Ländern wie Australien und Neuseeland und dem Bürokratiemonster Brüssel gefeiert. Kritik an den Regeln für Umwelt- und Tierschutz übt das RN zudem nicht erst, seit die Landwirte Autobahnen blockieren.
Im Kernthema der Rechten, der Migration, verkündete Le Pen ausserdem einen «ideologischen Sieg». Das Einwanderungsgesetz ist im letzten Jahr auf Druck der Rechten verschärft worden. Es perlt allerdings an Le Pen ab, dass der Verfassungsrat grosse Teile des Gesetzes jüngst für verfassungswidrig erklärte. Die Kritik konzentrierte sich vielmehr auf Emmanuel Macron und seine Regierung. Macrons Beliebtheitswerte sind im Keller. 70 Prozent der Franzosen haben kein Vertrauen mehr in den Präsidenten.
Die schlechten Umfragewerte scheinen nun auf seinen Premierminister abzufärben. Attals Zustimmungswerte sind gemäss einer Umfrage des konservativen «Figaro» von knapp 50 Prozent im Januar, als Attal sein Amt antrat, auf 33 Prozent gefallen.
Auf Distanz zur deutschen AfD
Marine Le Pen steuert den Élysée-Palast an. Zuvor soll das Rassemblement national aber in diesem Jahr seinen Einfluss in der EU ausbauen und dafür bei den Europawahlen gewinnen. Dabei scheut sich die Politikerin neuerdings auch nicht vor Konflikten mit vermeintlichen Verbündeten.
Ungewöhnlich deutlich kritisierte Le Pen kürzlich die deutsche AfD. Dies, nachdem bekanntgeworden war, dass Geldgeber, AfD-Politiker und bekannte Rechtsextremisten anlässlich einer Zusammenkunft in Potsdam angeblich einen «Masterplan Remigration» diskutiert hatten. Sie sei mit den Plänen der AfD absolut nicht einverstanden. Das Rassemblement national prüfe nun, ob es in Brüssel noch mit der AfD in einer Fraktion sein wolle.
«Ich verteidige alle Franzosen, unabhängig davon, wie sie die Staatsbürgerschaft erworben haben», erklärte Le Pen. Mit einem gemässigteren Auftreten will sich die rechte Politikerin schon länger breiteren Wählerschichten empfehlen. So trat sie beispielsweise an Demonstrationen gegen Antisemitismus auf, was in Frankreich grosse Diskussionen auslöste.
Ausserdem hat sie dem ehemaligen Front national nicht nur einen neuen Namen gegeben, sondern sich auch von rechtsextremen Mitgliedern in der Partei distanziert, allen voran von ihrem Vater, dem Parteigründer, den sie sogar aus der Partei ausschloss.
Die rechtsextremen Konzepte der AfD kommen Le Pen dabei in die Quere – vor allem so kurz vor den Europawahlen am 9. Juni. Die AfD zeigt sich von der Kritik der rechten Frontfrau in Frankreich aufgeschreckt und teilte mit, sich mit Le Pen aussprechen zu wollen. Alles sei bloss ein Missverständnis.