Plötzlich steigert das Land seine Militärausgaben und will das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Was steckt hinter der Kehrtwende von Pedro Sánchez?
Nach wochenlangem Druck seitens der Nato-Partner überraschte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez mit einem Befreiungsschlag: Er kündigte die langerwartete Erhöhung des Verteidigungshaushalts noch in diesem Jahr an. Insgesamt soll das Verteidigungsbudget um 10,5 Milliarden auf 33 Milliarden Euro aufgestockt werden. Spanien will damit endlich der Nato-Forderung gerecht werden, mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) in die Verteidigung zu investieren.
Für die Nato-Partner ist das eine freudige Überraschung. Bisher war Spanien das Schlusslicht bei den Militärausgaben der 32 Nato-Mitgliedsstaaten. Weder die spanische Regierung noch die Opposition wollten mehr für Europas kollektive Sicherheit ausgeben, ebenso wenig grosse Teile der Bevölkerung. Der Krieg in der Ukraine findet schliesslich weit entfernt vom eigenen Territorium statt.
Einmal mehr bewies Sánchez, wie geschickt er auf neue Herausforderungen reagieren kann. Die zusätzlichen Gelder für die Verteidigungsausgaben stammen nicht etwa aus Steuererhöhungen oder – wie von vielen befürchtet – aus Kürzungen der Sozialausgaben. Vielmehr handelt es sich um Haushaltsreserven aus den letzten Jahren, die nicht genutzt wurden.
In Zukunft sind keine Reserven mehr da
Zwar regiert Pedro Sánchez schon seit zwei Jahren mit dem alten Staatshaushalt von 2023, weil er im Parlament keine Mehrheit mehr für ein neues Budget findet. Doch die Wirtschaft nahm keinen Schaden: Die Gehälter stiegen, und der Konsum trieb die Konjunktur zusätzlich an.
Entsprechend zufrieden zeigte sich Sánchez nach der Sitzung des Ministerrats, an der die Erhöhung der Ausgaben beschlossen wurde. Auf die entscheidende Frage wie er die Milliardeninvestitionen im nächsten Jahr zu stemmen gedenke, wenn ihm keine weiteren Mittel mehr zur Verfügung stünden, gab er keine Antwort.
Auf zusätzliche Unterstützung im Parlament kann Sánchez nicht hoffen, im Gegenteil: Sein wichtigster Koalitionspartner, die linke Wahlplattform Sumar, reagierte verärgert auf den Kurswechsel. Die Parteivorsitzende Yolanda Díaz, bekannt für ihre klare Haltung, kritisierte den Plan zur drastischen Erhöhung der Militärausgaben scharf und erklärte, dies sei nicht der richtige Weg für Spanien.
Auch der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo vom konservativen Partido Popular hat klargemacht, dass Sánchez von ihm keine Zusammenarbeit erwarten kann. Dieser Investitionsplan sei von Anfang an Makulatur, urteilte Feijóo. Ohne einen Haushalt für das kommende Jahr gäbe es nicht genügend Mittel, um die Verteidigungsausgaben auf einem derart hohen Niveau zu halten, mahnte der Parteichef der Konservativen.
Die Konservativen hadern noch immer mit den Folgen der letzten Parlamentswahl im Juli 2023. Dort waren sie die meistgewählte Partei, konnten aber keine Mehrheit erringen und mussten zusehen, wie Sánchez ein Bündnis mit mehreren kleinen Parteien bilden konnte.
Im Grunde hatte Sánchez keine andere Wahl, als diesen Schritt nun zu gehen. Denn nicht nur die Nato setzte Spanien unter Druck. Schon kurz nach seinem Amtsantritt im Januar kritisierte der amerikanische Präsident Donald Trump den niedrigen Verteidigungshaushalt des Landes. Er drohte Spanien – das er fälschlicherweise für ein Brics-Land hielt – sogar mit Strafzöllen von 100 Prozent. Ende März kam dann erneut Kritik aus den USA, diesmal vom stellvertretenden Aussenminister Christopher Landau.
Auch die europäischen Partner forderten mehr Einsatz von Spanien in Sachen gemeinsame Sicherheit. Die EU habe Spanien in der Corona-Krise unterstützt, jetzt müsse das Land im Gegenzug bei den Verteidigungsausgaben stärker mitziehen, erklärte die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas kürzlich. Nato-Generalsekretär Mark Rutte wies die Spanier zudem darauf hin, dass eine russische Rakete in Madrid nur zehn Minuten später einschlagen würde, als im polnischen Warschau. Die Bedrohung sei also auch für Spanien sehr real und akut.
Detaillierter Plan für die Ausgaben
Was mit den zusätzlichen Milliarden nun geschehen soll, hat Spanien der Nato in einem Plan mitgeteilt. Ziel ist es, die Streitkräfte umfassend zu modernisieren. Neben besseren Gehältern für Soldaten, um den Dienst attraktiver zu machen, fliesst der Grossteil der Mittel in neue Ausrüstung: Geplant sind der Kauf von Amphibienflugzeugen, Kampfjets der sechsten Generation und Minensystemen.
Auch die Flotte soll modernisiert werden. Zudem stehen ein Spionagesatellit und ein neues Kommunikationssystem für das Heer auf der Liste. Spanien will ausserdem seine Munitionsbestände wieder auffüllen und der Geheimdienst CNI erhält mehr als 565 Millionen Euro, um die Cyberabwehr des Landes zu stärken.