Am Samstag enthüllte der amerikanische Präsident einen radikalen Vorschlag für den Küstenstreifen: Alle Menschen aus Gaza sollen nach Ägypten und Jordanien umgesiedelt werden. Die Chancen auf Erfolg sind zweifelhaft.
«Ich bin sehr besorgt wegen Donald Trump», sagte der Palästinenser Rabah Kamel vor wenigen Tagen in seiner kleinen Wohnung in Kairo. Ursprünglich stammt der Zahnarzt aus dem Gazastreifen. Im April 2024 floh er mit seiner Frau und den zwei Kindern in die ägyptische Hauptstadt. «Ich befürchte, dass Trump den Gazastreifen entvölkern will.»
Die Worte des 42-Jährigen waren prophetisch. Noch nicht einmal eine Woche nach seiner Amtseinführung schlug Trump am späten Samstagabend vor, alle im Gazastreifen lebenden Palästinenser nach Jordanien und Ägypten umzusiedeln. «Wir säubern das Gebiet einfach gründlich», sagte er mitreisenden Reportern am Samstag an Bord der Air Force One in Bezug auf den Gazastreifen.
Die Küstenenklave sei eine Abrissfläche, und die Menschen stürben dort, sagte Trump. «Ich würde mich lieber mit einigen der arabischen Staaten zusammentun und an einem anderen Ort Wohnungen bauen, wo sie vielleicht einmal in Frieden leben können.» Trump hat laut eigenen Angaben bereits mit dem jordanischen König Abdallah II. darüber gesprochen und wird seinen Vorschlag ebenfalls dem ägyptischen Präsidenten Abdelfatah al-Sisi unterbreiten. Es ist allerdings zweifelhaft, ob der selbsterklärte «Dealmaker» die arabischen Staaten überzeugen kann.
Ägypten und Jordanien sind vehement gegen Trumps Idee
«Der Trump-Vorschlag entspricht den grössten Ängsten Ägyptens und Jordaniens», sagt Nimrod Goren, Präsident der israelischen Mitvim-Denkfabrik und Vorstandsmitglied der Organisation Diplomeds. Seit Beginn des Gazakriegs wehren sich beide Staaten gegen die Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge – drei Gründe sind dabei entscheidend.
- Sicherheit: Ägyptens Präsident Sisi warnte bereits wenige Tage nach Kriegsausbruch vor einem Szenario, das dem Trump-Vorschlag entspricht. Die Zwangsumsiedlung von Menschen aus dem Gazastreifen nach Ägypten könnte sogar einen Krieg mit Israel zur Folge haben, sagte der ägyptische Machthaber. «Die Ägypter fürchten sich vor einem Szenario, in dem sich die Hamas im Sinai einnistet und von dort Israel angreift», sagt Goren im Gespräch. «Israel müsste dann reagieren, die Situation könnte eskalieren.» Hochrangige westliche Diplomaten in Ägypten sagten im vertraulichen Gespräch ebenfalls, dass eine Massenmigration von Palästinensern in den ohnehin instabilen Sinai eine rote Linie für Kairo sei.
- Innenpolitik: Seit Kriegsbeginn ist Jordanien innenpolitisch in einer prekären Lage. Ein Fünftel der jordanischen Bevölkerung sind Palästinenser, über die Hälfte hat palästinensische Wurzeln. Gleichzeitig unterhält das haschemitische Königreich ebenso wie Ägypten offizielle Beziehungen zu Israel. Das führt zu erheblichem Unmut unter den mehrheitlich jungen Jordanierinnen und Jordaniern. Sollte Amman einer Umsiedlung von Palästinensern auf sein Territorium zustimmen, ist mit Chaos oder sogar einer Revolution zu rechnen.
- Gewachsene Überzeugung: Ägypten und Jordanien verbindet, dass sie sich seit Jahrzehnten für eine Zweistaatenlösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern einsetzen. Eine Entvölkerung des Gazastreifens und eine anschliessende mögliche israelische Besetzung oder Annexion des Gebiets würde diesen fernen Traum endgültig platzen lassen. Vor allem der jordanische Aussenminister hat sein gesamtes politisches Kapital in die Zweistaatenlösung investiert.
Beide Staaten sind abhängig von westlichem Geld oder dem amerikanischen Schutzschirm. Ägypten hat wegen seiner tiefen Wirtschaftskrise Milliarden Dollar vom Internationalen Währungsfonds erhalten, und in Jordanien sind 3000 amerikanische Soldaten permanent stationiert. Trotzdem könne Trump Ägypten und Jordanien nicht zur Kooperation zwingen, meint der israelische Aussenpolitikexperte Goren. «Trumps Vorschlag widerspricht so fundamental den nationalen Interessen beider Länder, dass sie ihn nicht akzeptieren können.»
Israels Rechtsextreme frohlocken
In Israel stösst der Vorstoss des amerikanischen Präsidenten hingegen auf offene Ohren. Am Sonntagmorgen nannte der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich Trumps Umsiedlungsvorschlag eine «exzellente Idee». Seit Kriegsbeginn haben Smotrich und der ehemalige Polizeiminister Itamar Ben-Gvir eine «freiwillige Emigration» von Palästinensern aus dem Gazastreifen als Endziel für den Krieg propagiert.
Was bei all den Proklamationen und Verhandlungen mit Nachbarländern aus dem Blick gerät, ist das Interesse der Palästinenser selbst. Ob wirklich massenhaft Menschen den Gazastreifen verlassen wollen, ist unklar. Zunächst sieht es nicht danach aus: Am Sonntag versammelten sich Tausende Menschen vor dem immer noch israelisch besetzten Netzarim-Korridor, um in den Norden des Gazastreifens zurückzukehren – wo die Zerstörung besonders gross ist.