Präsident Xi Jinpings Reise nach Südostasien bringt wenig konkrete Abkommen. Dennoch ist sie für China ein Erfolg.
Malaysia: 24 Prozent. Vietnam: 46 Prozent. Kambodscha: 49 Prozent. Die Zölle, mit denen der amerikanische Präsident Donald Trump Südostasien droht, sind happig. Sie sind für die wirtschaftliche Prosperität dieser Länder ein schwerer Schlag. Dass die Zölle für den Moment ausgesetzt sind, ist ein schwacher Trost.
Unter diesen Vorzeichen reiste Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping diese Woche nach Kuala Lumpur, Hanoi und Phnom Penh. Überall wurde ihm der rote Teppich ausgerollt, Schulkinder schwenkten chinesische Fähnchen. Der malaysische Premierminister Anwar Ibrahim, der vietnamesische Präsident Luong Cuong und Kambodschas König Norodom Sihamoni holten Xi alle persönlich am jeweiligen Flughafen ab.
Xi hatte auf seiner fünftägigen Reise eine klare Botschaft: China ist ein verlässlicher und verantwortungsvoller Partner. Unausgesprochen blieb der unterschwellig vorhandene Nachsatz: ganz im Gegensatz zu den USA.
Heikle Balance zwischen China und den USA
«Handelskriege kennen keine Sieger, und Protektionismus führt ins Nichts», schrieb Xi in einem Artikel, der vor seiner Ankunft in vietnamesischen Medien abgedruckt wurde. China und Vietnam sollten entschlossen das multilaterale Handelssystem, stabile globale Lieferketten sowie ein offenes und kooperatives internationales Umfeld verteidigen. Die Wortwahl in Malaysia und Kambodscha war ähnlich.
Wenn Xi sich allerdings erhofft hatte, dass die südostasiatischen Länder sich im Krieg der Zölle offen auf Chinas Seite und gegen die USA stellen würden, wurde er enttäuscht. Am ehesten erhielt er von Malaysias Premierminister Ibrahim Rückendeckung. Vietnam und Kambodscha, deren wirtschaftliches Gedeihen viel stärker von Exporten in die USA abhängt, zeigten sich zurückhaltender.
Beide Länder wissen, dass jedes freundliche Wort an China vom Weissen Haus gegen sie verwendet werden kann. Er sehe, dass sich Vietnam und China träfen, sagte Trump am Montag in Washington, als Xi in Hanoi weilte. Es sei ein schönes Treffen, spottete Trump, es sehe aus, «als ob sie herausfinden wollen, wie sie die USA übers Ohr hauen können».
China ist der wichtigste Handelspartner für Malaysia, Vietnam und Kambodscha. «Südostasiatische Länder wollen nicht zu abhängig von China sein», sagt Susannah Patton, die Leiterin des Südostasien-Programms der australischen Denkfabrik Lowy Institute, «aber gleichzeitig sehen sie enge Beziehungen als wirtschaftlich unentbehrlich an».
Die Situation von Kambodscha und Vietnam zeigt das Dilemma: Beide Länder importieren mit Abstand am meisten aus China – für beide sind aber die USA der wichtigste Exportmarkt. Eine in zwei Blöcke geteilte Welt, in der sie sich für ein Lager entscheiden müssten, gilt in Hanoi wie in Phnom Penh als Schreckensszenario. Die meisten Länder der Region versuchten darum, ihre aussenpolitischen Beziehungen über die USA und China hinaus zu erweitern, sagt Patton: «Mit europäischen Ländern, mit Australien, Indien, Japan, Südkorea und in einigen Fällen sogar mit Russland.»
Chinas Gravitationskraft wird stärker
Insgesamt sei es aber so, dass die Länder Südostasiens wirtschaftlich, politisch und strategisch näher an China rückten, schreibt Ben Bland, der Leiter des Asien-Pazifik-Programms der englischen Denkfabrik Chatham House. Angesichts der Grösse Chinas, seiner Nähe und seines hohen technologischen und industriellen Entwicklungsstands überrasche dies nicht: «Die südostasiatischen Staaten werden zunehmend von Chinas Gravitationskraft angezogen.»
Südostasiatische Regierungen sähen China als unabdinglich für die eigene Entwicklung, als Investor in Strassen, Elektrizitätswerke, Eisenbahnen und vermehrt auch Telekommunikationsnetze und Elektroautos, so Bland. Das Verhalten gegenüber China sei geprägt von grosser Ehrfurcht. Der Pomp um den Besuch von Xi diese Woche belegt dies.
Diese Ehrfurcht komme zum einen daher, dass China seine Macht immer wieder unverhohlen durchsetze. Zum andern sei es so, dass auch China unter dem Kolonialismus gelitten und sich hocharbeiten habe müssen. Für den britischen Experten kaschiert dieses Verhalten aber auch das Misstrauen, das in der Region gegenüber China herrscht: «Südostasiatische Regierungen üben öffentlich lieber Kritik an den USA und deren Verbündeten als an China. Paradoxerweise spiegelt das eine mangelnde offene Kommunikation mit China.»
Peking macht sich Sorgen – und sieht Chancen
Trumps unberechenbare Handels- und Aussenpolitik löst in Peking offenbar gemischte Gefühle aus. Susannah Patton war vor einer Woche mit einer Delegation des Lowy Institute in Peking. In den zahlreichen Gesprächen mit Experten und Beamten habe sie eine echte Besorgnis darüber gespürt, wie weit der Handelsstreit gehen werde. Zugleich sehe man aber auch eine Chance, in Regionen wie Südostasien eine Führungsrolle zu übernehmen und das Vakuum zu füllen, das durch Trumps Handeln entstehe.
Die Theorie hingegen, dass Trump mit Xi einen Deal eingehen könnte, welcher die Welt in eine chinesische und eine amerikanische Einflusszone aufteilen würde, überzeugt in Peking nicht. «Ich habe niemanden getroffen, der an ein Abkommen mit Washington glaubt, bei dem China eine Einflusssphäre in Asien erhielte», sagt Patton.
Xi Jinpings Reise durch Südostasien war von langer Hand geplant. Dass sie in eine Zeit fällt, in der die Region verunsichert ist, ist Trump zu verdanken. Darum ist es für Peking nicht weiter schlimm, dass die greifbaren Ergebnisse der Reise eher mager sind. «Chinas Narrativ ist schon lange, dass die USA chaotisch, unilateral und protektionistisch seien», sagt Patton. «Im Moment ist es nicht besonders schwer, andere davon zu überzeugen.»