Taiwan ist auf amerikanische Waffenlieferungen angewiesen. Unter der neuen Regierung dürfte das teuer werden.
Amerikanische Wahlen geniessen in Taiwan immer hohe Aufmerksamkeit. Taipeh ist bei Waffenkäufen ganz auf die USA angewiesen, weil andere Länder aus Angst vor China keine Waffen an Taiwan verkaufen.
In Taiwan war man spätestens seit Juli vorgewarnt, was bei einer Wahl Trumps blühen könnte. «Taiwan sollte uns für die Verteidigung bezahlen», sagte der damalige Präsidentschaftskandidat gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg, «wir sind nichts anderes als eine Versicherungsgesellschaft. Taiwan gibt uns nichts.»
Taiwan sieht sich einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt
Nun ist Trump gewählt. Und in Taipeh scheint die Botschaft angekommen zu sein. Laut der «Financial Times» bereitet die Regierung von Präsident Lai Ching-te eine grosse Waffenbestellung vor, um sich bei Trump gut zu stellen. Die Zeitung zitiert anonyme taiwanische und amerikanische Quellen, die über die Verhandlungen im Bild sein sollen.
Auf der Liste sollen Aegis-Zerstörer sein, eines der schlagkräftigsten Kriegsschiffe der US Navy. Daneben sollen die Taiwaner topmoderne F-35-Kampfjets kaufen wollen sowie Überwachungsflugzeuge. Ein taiwanischer Experte schätzt den Wert des Pakets gegenüber der FT auf 15 Milliarden Dollar.
Wie das Paket im Detail aussehen wird und was die USA bereit sind zu liefern, wird sich noch zeigen müssen. Ebenso, ob 15 Milliarden genug sind, um Trump zu beweisen, dass Taiwan genug für seine eigene Verteidigung tut.
Taiwan habe in den letzten Jahren Fortschritte gemacht und den Verteidigungsetat erhöht, sagt Heino Klinck, der unter der ersten Trump-Administration eine hohe Position im Pentagon innehatte: «Tatsache ist aber, dass Taiwan noch viel mehr tun muss, denn es sieht sich mit einer existenziellen Bedrohung konfrontiert, so wie Israel.»
Die amerikanische Rüstungsindustrie kann nicht schnell genug liefern
Ein Problem ist, dass die USA nicht alles liefern kann, was Taiwan bestellt. So sind gegenwärtig Aufträge im Wert von rund 20 Milliarden Dollar offen. Dazu gehören F-16-Kampfjets oder Abrams-Kampfpanzer. Aber auch an leichten, mobilen Waffen für die asymmetrische Kriegsführung mangelt es, etwa tragbare Stinger-Flugabwehrraketen oder Javelin-Panzerfäuste. Die amerikanische Rüstungsindustrie arbeitet an ihrer Kapazitätsgrenze.
«Wir machen uns Sorgen, weil viele Lieferungen erst mit grosser Verspätung ankommen», sagt Sheu Jyh-shyang vom Institute of National Defense and Security Research (INDSR), einem Think-Tank des taiwanischen Verteidigungsministeriums. Das Problem dürfte sich verstärken, wenn Taiwan F-35 bestellen würde. «Die ganze Nato will F-35. Da müssen wir uns hinten anstellen.»
Die supermodernen F-35 werden heiss diskutiert, weil die USA bisher nicht bereit waren, sie an Taiwan zu liefern. Vieles an dem Flugzeug ist streng geheim. Washington befürchtet, dass ein Jet Peking in die Hände fallen könnte. Etwa wenn ein korrupter taiwanischer Pilot sich damit auf das Festland absetzen würde.
Doch heute stünden die Chancen besser als je zuvor, glaubt Su Tzu-yun, der ebenfalls am INDSR arbeitet. «Ein wichtiger Faktor beim amerikanischen Entscheid, ein Waffensystem an Taiwan zu liefern oder nicht, ist das Kräfteverhältnis auf beiden Seite der Taiwanstrasse.» Mit dem J-20 und dem J-35 habe China jetzt zwei moderne Kampfjets mit Tarnkappentechnologie im Arsenal. Mit dem F-35 auf taiwanischer Seite würde das technologische Gleichgewicht wieder hergestellt, argumentiert Su.
Chinas ständiger militärischer Druck, die auf ein Jahr verlängerte obligatorische Dienstzeit, die Erneuerung veraltete Waffensysteme – all das kostet viel Geld. Experten sind sich einig, dass die rund 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, die Taiwan gegenwärtig für die Verteidigung ausgibt, ungenügend ist.
Wie viel aber der richtige Betrag sein soll, ist schwierig zu sagen. Trump meinte Ende September in einem Interview mit der «Washington Post», dass es zehn Prozent sein sollten. Das ist politisch völlig unrealistisch, denn es entspräche dem Löwenanteil des taiwanischen Staatshaushalts. Sheu vom INDSR hält ein Verteidigungsbudget in der Region von vier bis fünf Prozent für angemessen.
Sollen die USA die «strategische Ambiguität» aufgeben?
Taiwans Bevölkerung sei bereit, mehr für die Verteidigung auszugeben, sagt Chen Shyh-min, Politologie-Professor an der National Taiwan University. «Doch nur wenn die USA die ‹strategische Ambiguität› aufgibt. Es braucht eine Sicherheitsgarantie für Taiwan, so wie Israel sie hat.»
Die strategische Ambiguität – die offene Frage, ob die USA im Angriffsfall Taiwan wirklich zu Hilfe eilt – ist eine jahrzehntealte Konstante in der amerikanischen Taiwanpolitik. Präsident Biden ist davon leicht abgerückt, indem er mehrmals deutlich gesagt, dass er Taiwan beschützen würde. Trumps Position in dieser Frage ist weniger klar.
Eine explizite Sicherheitsgarantie für Taiwan würde China zu heftigen Reaktionen veranlassen. Denn dies würde de facto bedeuten, dass der Traum der «Wiedervereinigung» der Insel mit dem Festland ein Traum bleibt. Entsprechend kontrovers ist der Vorschlag unter Experten und Politikern in den USA.
Auch das grosse Rüstungspaket, wenn es denn zustande kommt, wird Peking als Provokation auffassen. Davon sollte man sich nicht beirren lassen, argumentiert Klinck, der frühere Pentagon-Beamte. In der Ukraine habe der Westen zu wenig auf Abschreckung gesetzt, weil er Angst gehabt habe, Russland zu provozieren: «Diese Taktik ist grandios gescheitert. Wir sollten bei Taiwan nicht den gleichen Fehler machen.»