Eine Reihe von Marktindikatoren signalisiert seit rund zwei Monaten eine deutliche Abkühlung der US-Wirtschaft. Die Politik der Trump-Regierung stiftet Unsicherheit. Der Fokus der Märkte richtet sich nun auf die Notenbank.
Mit dem «Goldenen Zeitalter», das US-Präsident Donald Trump vor einer Woche bei seinem Auftritt vor dem Kongress ausgerufen hat, wird es vorerst nichts – zumindest nicht an den Finanzmärkten. Die amerikanischen Börsen wurden gestern Montag von einer heftigen Verkaufswelle erschüttert.
Der Leitindex, der S&P 500, büsste 2,7% ein. Der technologielastige Nasdaq 100 verlor 4% und markierte seinen grössten Tagesverlust seit fast drei Jahren. Beide Indizes schlossen unter ihrer gleitenden 200-Tage-Durchschnittslinie (rot).
Besonders unter Druck standen Aktien aus zyklischen, konjunktursensitiven Sektoren sowie die Tech-Schwergewichte, die als Gruppe der «Magnificent Seven» das Börsengeschehen in den vergangenen Jahren dominiert hatten: Microsoft, Apple, Alphabet, Meta, Amazon, Nvidia und Tesla. Besonders der von Elon Musk geführte Elektroauto-Hersteller Tesla geriet mit einem Tagesverlust von mehr als 15% unter die Räder: Seit dem Höchststand Mitte Dezember hat sich sein Aktienkurs halbiert.
Was steckt hinter der «Risk off»-Welle?
Signale aus dem Inneren des Aktienmarktes
Eine direkte Kausalität lässt sich nie zuordnen, doch bereits seit rund zwei Monaten ist eine deutliche Sektorverlagerung unterhalb der Oberfläche des S&P 500 zu beobachten. Der Sektor Basiskonsum (Consumer Staples; Konsumgüter des täglichen Gebrauchs, d.h. Aktien wie Coca-Cola, Philip Morris oder Procter & Gamble) hat seit Mitte Januar signifikant zugelegt, während der Sektor zyklischer Konsum (Aktien wie Amazon und Tesla) verloren hat.
Die konjunktursensitiven Branchen Transport (Airlines, Paketdienste, Eisenbahnen) und Häuserbau sind seit Ende Dezember ebenfalls eingebrochen:
Delta Air Lines senkte am gestrigen Montagabend ihre Umsatz- und Gewinnziele für das erste Quartal wegen schwacher Nachfrage nach Flugreisen im Heimmarkt USA. Die Titel verloren im nachbörslichen Handel mehr als 10%.
Auch Aktien aus dem Finanzsektor gerieten in den vergangenen Wochen zunehmend unter Druck – und dort besonders die konsumnahen Branchenvertreter. Die Titel von Capital One Financial, einem Kreditkarten- und Konsumkreditinstitut, das sich auf Kunden in unteren Einkommensschichten fokussiert, sind innerhalb von drei Handelswochen um mehr als 20% eingebrochen.
«Der beste Ökonom, den ich kenne, sitzt im Inneren des Aktienmarktes», sagte der grosse Investor Stanley Druckenmiller einst. Aus dieser Perspektive betrachtet signalisiert der amerikanische Aktienmarkt derzeit einem markanten Konjunkturabschwung.
Trump stiftet Verunsicherung
Das Bild wird von einer Reihe von Konjunkturindikatoren bestätigt. Die von der Universität Michigan sowie vom Forschungsinstitut Conference Board voneinander unabhängig erhobenen Indizes des Konsumentenvertrauens sind im Februar überraschend stark gesunken. Die «New Orders»-Komponente im vom Institute f0r Supply Management erhobenen ISM-Einkaufsmanagerindex des US-Industriesektors ist im Februar ebenfalls überraschend deutlich gesunken und zeigt mit 48,6 eine Kontraktion der Aktivität an.
Aufsehen erregte auch der GDPNow-Echtzeitindikator der Distriktnotenbank Atlanta, der für das erste Quartal einen 2,4%-Einbruch der Wirtschaftsleistung anzeigt (grüne Kurve).
Dieser Wert dürfte zwar verzerrt sein, weil viele Unternehmen in den USA in Erwartung neuer Einfuhrzölle ihre Importe im Januar und Februar vorgezogen haben. Zudem verzeichnete das Land erhebliche Einfuhren von Gold. Dadurch sind die Nettoimporte gestiegen, was den GDPNow-Indikator belastet.
Aber auch ohne diesen Effekt dürfte klar sein: Der US-Wirtschaft droht ein Abschwung. Peter Berezin, Chefstratege der kanadischen BCA Research – er ist bereits im Spätherbst 2024 mit sehr «bearishen» Prognosen zum US-Markt aufgefallen –, hält eine Rezession in den USA für «unmittelbar bevorstehend.»
Ein wichtiger Grund dafür ist die Verunsicherung, die die Trump-Regierung mit ihrer erratischen Zollpolitik und dem von Elon Musk vorangetriebenen Kahlschlag in den Behörden stiftet. Der US Trade Policy Uncertainty Index, ein Indikator, der die Verunsicherung rund um das Thema Handelspolitik misst, ist in die Höhe geschossen und liegt deutlich über dem Höhepunkt während der ersten Trump-Handelskriege in den Jahren 2018 und 2019.
Diese Verunsicherung schlägt offensichtlich immer mehr auf das Vertrauen der Konsumenten und der Unternehmen.
Öffentliche Absage an den «Trump Put»?
Viele Marktteilnehmer dürften die Hoffnung gehegt haben, dass Trump von seiner Politik abrückt, sobald die Turbulenzen an den Aktienmärkten zu gross werden. Von einem «Trump Put» war in diesem Zusammenhang die Rede.
Doch zumindest vordergründig hat der Präsident dieser Vorstellung eine Absage erteilt. In einem Interview mit «Fox News» am Wochenende räumte Trump ein, dass als kurzfristige Folge seiner Politik eine Rezession und/oder höhere Inflation nicht auszuschliessen seien. «Meine Aufgabe ist es, ein starkes Land aufzubauen. Man kann den Aktienmarkt nicht wirklich als Massstab nehmen», sagte Trump.
Finanzminister Scott Bessent wiederholte die Botschaft in einem anderen TV-Interview: «Könnte es sein, dass die Wirtschaft, die wir geerbt haben, ins Schlingern kommt? Sicher. (…) Wir haben uns an diese staatlichen Ausgaben gewöhnt, und es wird eine Phase des Entzugs geben.»
Trump und Bessent verbreiten also die Botschaft, dass ihre Politik dem langfristigen Wohl des Landes diene, kurzfristig aber Schmerzen verursachen dürfte. Zudem zielt ihre Rhetorik daraufhin, möglichst viel dieses Schmerzes der Vorgängerregierung von Joe Biden anzulasten.
Abschwungsignale am Bondmarkt – das Fed im Fokus
Nicht nur am Aktienmarkt, auch an den Bondmärkten spielen sich wichtige Veränderungen ab. Die Risikoaufschläge (Spread) für Unternehmensanleihen ohne Anlagequalität (High Yield bzw. Junk Bonds) haben begonnen, sich von ihrem extrem tiefen Niveau zu lösen und weiten sich aus.
Am Treasury-Markt ist die Rendite 2-jähriger US-Staatsanleihen seit dem 12. Februar um 46 Basispunkte (Bp; gelbe Kurve) gesunken. Die Rendite 10-jähriger Treasuries (blau) ist ebenfalls gesunken, aber etwas weniger stark. Die Zinskurve zeigt damit in Ansätzen einen sogenannten Bull Steepener: Das kurze Ende der Strukturkurve fällt rascher als das lange Ende. Das ist dann der Fall, wenn der Bondmarkt eine Abkühlung der Wirtschaft und damit raschere Senkungen des Leitzinses durch die US-Notenbank (Fed) erwartet.
Damit rückt die kommende Sitzung des Fed-Offenmarktausschusses vom 19. März in den Fokus. Zwar dürften Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen den Leitzins unverändert belassen, aber angesichts der Konjunktursorgen werden Aussagen zu ihrer weiteren Zinspolitik wichtig sein. Die Terminmärkte gehen gegenwärtig von drei Zinssenkungen im laufenden Jahr aus, wobei der erste Schritt an der Fed-Sitzung vom 18. Juni erfolgen soll.
Ebenfalls mit Spannung blicken die Märkte auf die Publikation der Inflationsstatistiken der Konsumentenpreise (Consumer Price Index, CPI) für den Monat Februar, die morgen Mittwoch, 12. März, auf der Agenda steht. Am 13. März folgt der Index der Produzentenpreise. Sollte sich zeigen, dass die Teuerung hartnäckig hoch bleibt, wird die Aufgabe des Fed zusätzlich erschwert.
Sollte die Inflation dagegen überraschend deutlich gesunken sein, dürften die Märkte umgehend beginnen, schnellere Leitzinssenkungen des Fed einzupreisen. Das würde den gebeutelten Aktienmärkten etwas Luft verschaffen – zumal die Stimmung unter den Marktteilnehmern bereits ausgeprägten Pessimismus zeigt.
PS. Nachfolgend zwei Ausschnitte aus dem «The Big Picture Live»-Webinar vom 10. März 2025, die die Konjunkturschwäche bzw. die Marktreaktion auf die Zollpolitik von Trump thematisieren: