Der Unfalltod der Schweizer Rad-Juniorin an den Weltmeisterschaften in Zürich muss Folgen haben.
Die Rad-Weltmeisterschaften sind Geschichte. Gott sei Dank!, mag man anfügen. Der neuntägige, überdimensionierte Sportanlass brachte Zürich wegen weitflächiger Strassensperrungen an die Grenzen des Zumutbaren.
Die Organisatoren taten am Mittwoch an einer Bilanz-Medienkonferenz dennoch ihr Bestes, die positiven Seiten herauszustreichen. Ihr Fazit: 1,2 Millionen Zuschauer am Streckenrand, sportliche Höhepunkte und strahlende Sieger. «Ein versöhnlicher Abschluss» sei das gewesen, finden die Verantwortlichen.
Schön und recht. Das Ereignis, das von diesen Weltmeisterschaften in Erinnerung bleiben wird, ist neben den übertriebenen Einschränkungen aber ein anderes: der Unfalltod von Muriel Furrer. Die 18-Jährige stürzte am vergangenen Donnerstag im Rennen der Juniorinnen im strömenden Regen auf einem steilen Streckenteil im Wald bei Küsnacht. Am Freitag erlag sie ihren Verletzungen.
Seither tauchen jeden Tag neue Details, Vermutungen und Gerüchte zum Unfall auf. Und es stellen sich unbequeme Fragen. Vor allem: Wie kann es sein, dass der Sturz so lange unbemerkt blieb? Bis zu zwei Stunden soll die Juniorin schwer verletzt im Gebüsch gelegen haben, bis sie endlich mit dem Rega-Helikopter ins Spital geflogen wurde. Eine unendlich lange Zeit, wenn man bedenkt, dass bei einem Schädel-Hirn-Trauma jede Minute zählt.
Die Organisatoren haben nach dem Unfall sehr zurückhaltend, um nicht zu sagen passiv kommuniziert. Sie verwiesen gebetsmühlenartig auf die laufende Untersuchung von Staatsanwaltschaft und Polizei. Das war ein Fehler. Die Verantwortlichen hätten früh hinstehen und so transparent wie möglich informieren sollen: Was weiss man zum Unfallhergang, was nicht? So entstand der Eindruck, dass etwas unter dem Deckel gehalten werden soll. Und es öffnete das Feld für zum Teil wilde Spekulationen.
Am Mittwoch schoben die lokalen Organisatoren den Schwarzen Peter dann an den globalen Radsportverband UCI weiter. Dieser sei «nicht sehr erpicht darauf gewesen, viele Informationen preiszugeben», meinte der sportliche Leiter der WM, Olivier Senn, vor den Medien. Das mag stimmen. Doch gestorben ist eine Schweizer Fahrerin an Weltmeisterschaften in der Schweiz. Es hätte Mittel und Wege gegeben, sich über unsinnige Auflagen des Grossverbands hinwegzusetzen – wenn man denn gewollt hätte.
Ob es eine Mitverantwortung der Organisatoren für den Unfalltod gibt, wird die nun anrollende juristische Aufarbeitung des Falls zeigen. Es ist zu hoffen, dass diese rascher und professioneller verläuft als jene zum tödlichen Unfall des Radprofis Gino Mäder an der Tour de Suisse 2023. Damals dauerte es fünf Monate, bis die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellte. Zuvor unterliefen den Ermittlern gravierende Fehler. So versäumten sie es etwa, wichtige Zeugen zu befragen. Die Ursache für Mäders Sturz bleibt bis heute unklar.
Neben der Justiz sollte nach Muriel Furrers Tod auch die UCI aktiv werden. Dass die Juniorin so lange nicht gefunden wurde, ist unentschuldbar. Dabei war ihr Rennrad wie alle anderen mit einem GPS-Tracker ausgerüstet. Dass dieser nur für die TV-Berichterstattung verwendet wird, aber nicht als Frühwarnsystem, wenn Fahrer von der Strecke abkommen, ist unverständlich und sollte umgehend angepasst werden. Technisch sollte das problemlos möglich sein, auch die Kosten dürften sich in Grenzen halten.
Der Organisator Olivier Senn meinte am Mittwoch, dass er hoffe, dass es «eine intensive Diskussion» um das GPS-Thema geben werde. Nur bei der Diskussion darf es aber nicht bleiben. Zumindest das sollte eine Errungenschaft der sonst ziemlich glücklosen Weltmeisterschaften von Zürich sein.