Keine Zeit für Ideologie: Der Verkehrsminister will auch in der Krise Bahn und Strasse nicht gegeneinander ausspielen.
Die Worte stimmten, der Ton war angebracht. Mit einem kurzfristig anberaumten Point de Presse am Dienstagvormittag holte Albert Rösti den Unwetter-Schock aus dem Misox nach Bundesbern. Und der zuständige Bundesrat hat gezeigt: Er kann auch Krisenkommunikation.
Gemeinsam mit Jürg Röthlisberger, dem Direktor des Bundesamts für Strassen (Astra), gedachte er der Opfer des Felssturzes, bedankte sich bei den Einsatzkräften und Astra-Mitarbeitern und skizzierte, wie es demnächst weitergehen soll.
«Erhebliches Glück» im Unglück
Bei all der Tragik sei es nun am Bund, für den Wiederaufbau der massiv beschädigten Autobahn 13 zu sorgen. Ziel sei es, in den kommenden Wochen eine Baupiste aufzuschütten, damit der betroffene Streckenabschnitt auf beiden Richtungen mit je einer Fahrspur für Personen- wie auch Lastwagen wieder befahrbar sei. Als Perspektive nennt Rösti hier «Juli», aber ohne Gewähr.
Es gehe jetzt zuerst darum, den wild gewordenen Fluss Moesa wieder zurück in sein angestammtes Bett zu leiten. Allein hierfür wird man wohl die Woche brauchen. Dazu laufen geologische Abklärungen, und auch die Wetterberichte stehen unter Dauerbeobachtung. Bei Instandsetzungsarbeiten im Berggebiet gibt es immer auch ein Gefährdungspotenzial.
Am Freitagabend hat ein Murgang bei Lostallo im südbündnerischen Misoxtal dafür gesorgt, dass der Fluss Moesa rund 200 Meter der Autobahn derart unterspült hat, dass der gesamte Strassenkörper ausgelöst worden war. Trotz dem menschlichen Leid, das die Unwetter verursacht hätten – eine Person wurde tot geborgen, zwei weitere werden immer noch vermisst –, müsse man auch von «erheblichem Glück» sprechen, so Rösti.
«Man stelle sich vor, es hätten sich Autos oder sogar ein voller Reisecar auf dem Streckenabschnitt befunden», so der Berner Oberländer, der die Kraft und Willkür der Natur kennt. Wogegen ist man machtlos, welche Massnahmen sind wirksam? Um diese Fragen muss er sich nun kümmern.
So wurden bereits kleinere Eingriffe gemacht, um die Verkehrsinfrastruktur nicht weiter zu belasten. Vor allem rund um den Gotthard, der die Hauptlast des Ausfalls der San-Bernardino-Route zu tragen hat.
Die geplanten Sperrnächte zwecks Sanierungsarbeiten im Gotthard-Strassentunnel wurden aufgehoben. Auf der Südseite wurde die sogenannte Cupra, ein Sonderstreifen, in Betrieb genommen, damit die Autos auch über den Pass fahren können. Die Ein- und Ausfahrten bei der A 2 im Kanton Uri werden nach dem üblichen Vorgehen gesperrt, damit der Ausweichverkehr nicht in die Urner Dörfer drängt.
Man beobachtet die alternativen Routen auch im Wallis. Entlang der Passstrasse über den Simplon wird Personal eingesetzt, um den Verkehr entlang der chronischen Baustellen effizienter zu lenken. Rösti wird zudem seine Amtskollegen im umliegenden Ausland informieren. Die reisebereite und -willige Bevölkerung in den Nachbarstaaten soll die Schweiz wenn immer möglich umfahren.
Gleichzeitig appelliert Rösti an die Eigenverantwortung vor allem auch der Schweizer selbst. Wer in den Süden wolle, ins Tessin oder auch nach Italien, solle doch bitte die «hervorragende Bahn» nehmen. Damit meint er selbstredend die SBB.
Nächtlicher Konvoi zwischen den Portalen
Deren Kapazitäten auf der Gotthard-Strecke sollen über die Wochenenden um 11 000 zusätzliche Plätze gesteigert werden. Mit seinem Werbespot für die SBB bekräftigt der Verkehrsminister auch eines der Prinzipien seiner Amtszeit: die Entideologisierung des vermeintlichen Konflikts Bahn contra Strasse. Die stark wachsende Schweiz muss sich sicher bewegen können – alle anderen Vorsätze haben bei Rösti Nachrang.
Etwas überraschend kommt deshalb auch seine klare Absage in Richtung Schwerverkehr. Das Verbot für den Sonntags- und Nachtverkehr soll nicht gelockert werden. Entsprechende Forderungen seitens der Transportbranche stehen im Raum. Die Aufhebung des Verbots würde den europaweiten Schwerverkehr aber regelrecht in die Schweiz ziehen, sagte der Astra-Chef Röthlisberger warnend. Einen Pull-Effekt will man unbedingt vermeiden.
In der Praxis wird es wohl dennoch zu Nachtfahrten von Camions kommen. Das Astra erwägt derzeit ein Modell, wonach man die rund 300 bis 400 zusätzlichen LKW, die aufgrund der A-13-Sperrung auf die Gotthard-Route ausweichen, jeweils auf Stellplätzen vor dem Süd- oder dem Nordportal sammeln würde.
In klar definierten Zeitfenstern könnte der Konvoi dann nachts durch den Tunnel fahren bis auf die Stellplätze auf der anderen Seite, von wo die Camions erst ab 5 Uhr 00 wieder weiterfahren dürften. Mit dieser Lösung möchte man die Verkehrsachse tagsüber entlasten, die Anwohner auf beiden Seiten des Gotthardtunnels nachts nicht belasten.