Der Uhrenkonzern verfehlt mit dem Abschluss für 2024 die Erwartungen auf allen Ebenen. Der Kontrast zur Konkurrentin Richemont wird immer deutlicher. Die Corporate Governance von Swatch Group ist eine Katastrophe.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Swatch Group hat heute, wie üblich ohne Vorankündigung, die Zahlen zum Geschäftsjahr 2024 publiziert. Sie zeigen ein katastrophales Bild. Der Uhrenkonzern hat die Erwartungen der Analysten auf allen Ebenen weit verfehlt.
Entsprechend harsch fällt die unmittelbare Marktreaktion aus. Die Inhaberaktien von Swatch Group fallen nach Eröffnung an der Schweizer Börse mehr als 5%. Die Titel notieren derzeit tiefer als während der Covid-Panik im März 2020.
In zwei Jahren eine Milliarde Franken verbrannt
Der Umsatz schrumpfte 2024 in Lokalwährungen gerechnet gut 12% auf 6,74 Mrd. Fr, was leicht unter den Erwartungen der Analysten lag. Deutlich brutaler fiel jedoch der Einbruch beim operativen Gewinn auf Stufe Ebit mit einem Minus von fast 75% auf 304 Mio. Fr. aus: Das entspricht noch einer Marge von mageren 4,5%, verglichen mit 15,1% im Vorjahr.
Unter dem Strich hat Swatch Group 219 Mio. Fr. Gewinn erwirtschaftet, ein Minus von knapp 76% im Vergleich zu 2023. Auf Stufe Ebit wie auch auf Stufe Gewinn hatten die Analysten im Konsens mit fast doppelt so hohen Werten gerechnet.
Der Lagerbestand stieg im Verlauf des Geschäftsjahres um weitere 330 Mio. Fr. auf etwas mehr als 7,6 Mrd. Fr. per Ende 2024. Einmal mehr hat Swatch Group also auf Halde produziert, statt die operativen Kosten zu senken.
Angesichts des signifikanten Gewinneinbruchs kürzt Swatch Group die Dividende auf 4.50 Fr. je Inhaberaktie, verglichen mit 6.50 Fr. im Vorjahr.
Dramatisch ist auch die Entwicklung des Mittelflusses: Der operative Cashflow hat sich im Vergleich zu 2023 auf 333 Mio. Fr. halbiert. Angesichts der weiterhin hohen Investitionen und Dividendenausschüttungen hat der Cashbestand im Jahresverlauf um 519 Mio. Fr. abgenommen. Innerhalb von zwei Jahren hat Swatch Group mehr als 1 Mrd. Fr. an liquiden Mitteln verbrannt.
Insgesamt bietet der Abschluss wenig Lichtblicke. Nach Angaben des Unternehmens entwickelten sich die Verkäufe in den USA, Japan, Indien und im Nahen Osten sehr gut, während China inklusive Hongkong und Macau – mit mehr als 30% Umsatzanteil der wichtigste Einzelmarkt – weiterhin schwach abschnitt. Für 2025 gibt sich das Unternehmen zuversichtlich.
Missmanagement an der Spitze
Die miserablen Zahlen kontrastieren stark mit dem überraschend guten Abschluss des Genfer Luxusgüterkonzerns Richemont. Dieser hatte im Weihnachtsquartal brilliert und vor zwei Wochen ein deutliches Wachstum gemeldet.
Wie riesig der Unterschied zwischen den beiden Schweizer Luxusgüterkonzernen inzwischen geworden ist, zeigt der Blick auf die Marktkapitalisierung: Richemont bringt gegenwärtig 102 Mrd. Fr. auf die Waage, während der Marktwert von Swatch Group auf 8,2 Mrd. geschrumpft ist.
Der schlechte Geschäftsgang von Swatch Group lässt sich also nicht mit einer allgemeinen, branchenweiten Konsumflaute erklären. Nein, er beruht auf Missmanagement. Und dieses Missmanagement hat einen Namen: Nick Hayek.
Hayek hat als CEO das Unternehmen in den vergangenen Jahren zusehends ins Abseits manövriert. Das Kostenmanagement ist eine Katastrophe. Hayek gibt sich zunehmend selbstherrlich, und er zelebriert seine Verachtung gegenüber den Analysten und Aktionären von Swatch Group. Mit den meisten Banken hat er sich verkracht.
Swatch Group betreibt keine Investor Relations. Hayek kommuniziert nicht mit Analysten und Investoren. Das führt dann zu Situationen wie heute, wenn die publizierten Zahlen zum Geschäftsgang um Galaxien von den Erwartungen der Analysten entfernt liegen.
Unliebsame, kritische Stimmen sperrt Hayek demonstrativ von Telefonkonferenzen aus oder kanzelt sie unflätig ab. Medien, die es wagen, kritisch über Hayek und Swatch Group zu schreiben, werden mit einem Inserateboykott bestraft.
Verwaltungsrat nimmt seine Verantwortung nicht wahr
Der Verwaltungsrat von Swatch Group ist eine Farce. Er müsste angesichts des Missmanagements auf der operativen Ebene schon längst als Korrektiv agieren. Doch das Gremium nimmt diese Aufgabe offensichtlich nicht wahr. Mit Nayla Hayek als Präsidentin, Nick Hayek, Marc Hayek und Daniela Aeschlimann repräsentieren vier der sieben VR-Mitglieder den Pool der Familienaktionäre Hayek und Ammann. Ernst Tanner, Jean-Pierre Roth und Claude Nicollier, die eigentlich die Interessen der Mehrheitsaktionäre wahrnehmen sollten, versagen in ihrer Funktion vollkommen.
Sie haben richtig gelesen: Tanner, Roth und Nicollier sollten die Interessen der Mehrheitsaktionäre vertreten. Die Familien Hayek und Ammann halten nämlich nur gut 25% des Kapitals von Swatch Group. Dank der dualen Aktienstruktur kontrollieren sie etwas mehr als 43% der Stimmrechte. Hayek führt sich aber auf, als gehöre das Unternehmen seiner Familie allein.
Vor einem Jahr hätte es die Familie in der Hand gehabt, den Verwaltungsrat aufzufrischen. Stattdessen liess sie mit Marc Hayek ein weiteres Familienmitglied in den VR wählen. Die Generalversammlung vom 8. Mai 2024 zeigte, wie tief die Kluft zwischen der Familie und den Mehrheitsaktionären geworden ist. Doch nicht einmal diese Ohrfeige scheinen die Hayeks registriert zu haben.
Nur China könnte dem Aktienkurs helfen
Es schmerzt, das zu sagen, aber Swatch Group ist mit dieser Konstellation an der Spitze nicht mehr investierbar. Ein Verwaltungsrat und ein Management, die den Begriff Corporate Governance nicht einmal buchstabieren – geschweige denn leben – können, sind einer kotierten Gesellschaft an der Schweizer Börse unwürdig.
Hayek darf das Unternehmen von mir aus gerne als sein Familieneigentum führen. Dann sollte er aber die Grösse haben, den Mehrheitsaktionären ein faires Angebot zu unterbreiten und ein Going Private einzuleiten.
Gewiss: Nach der theoretischen Substanz betrachtet ist Swatch Group zwar unterbewertet. Wie Jean-Philippe Bertschy, Analyst von Vontobel, vorrechnet, liegt der gegenwärtige Unternehmenswert von 7 Mrd. Fr. deutlich unter dem Wert des Lagerbestands und der Immobilien, die das Unternehmen besitzt.
Aber ich mag das Value-Argument für Swatch Group nicht mehr unterschreiben. Es nützt nichts, wenn der Konzern erstklassige Immobilien besitzt, wenn das Management mit seiner operativen Leistung gleichzeitig laufend Aktionärswert vernichtet. Zudem bezweifle ich, ob die mit 7,6 Mrd. Fr. ausgewiesenen Lagerbestände wirklich werthaltig sind. Swatch Group ist eine Value Trap.
Es gibt meiner Meinung nach nur drei Gründe, jetzt die Aktien von Swatch Group zu kaufen. Erstens, wenn der Verwaltungsrat den Mut fassen würde, den CEO auszuwechseln. Die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte aber nahe null liegen. Zweitens, wenn die Familie Hayek ein Going Private zu einem fairen Preis ankündigt. Doch das dürfte schwierig werden, weil sich Hayek mit den Banken verkracht hat.
Oder, drittens, falls Chinas Regierung in den kommenden Monaten ein grosses, auf den privaten Konsum angelegtes Stimulusprogramm lanciert. In diesem Fall würde Swatch Group – zwar ohne eigene operative Leistung, aber dank Papa Xi – profitieren.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Mark Dittli