Das Inselvolk sieht das Interesse der USA als Chance. Was hätten die Grönländer davon, wenn die Amerikaner mit Baggern auffahren würden?
War es eine reine Provokation, Verhandlungstaktik oder doch eine ernstzunehmende Drohung? Darüber rätselt die Welt, seit der amerikanische Präsident Donald Trump angekündigt hat, Grönland kaufen zu wollen. «Make Greenland great again!» In Europa herrscht Krieg, und Trump will nicht ausschliessen, wirtschaftlich und militärisch gegen ein verbündetes Land – Dänemark – vorzugehen, falls dieses nicht spuren sollte. In Kopenhagen ist man erwartungsgemäss brüskiert. Die Grönländerinnen und Grönländer hingegen sehen Trumps Interesse auch als Chance.
Doch was hätte das Inselvolk davon, wenn die Amerikaner mit Baggern auffahren würden?
Investoren für den Bergbau
Grönland verfügt über strategische Rohstoffe, deren wirtschaftliches Potenzial riesig ist. Unter dem Eis werden grosse Mengen an Erdöl und Gas vermutet. Im Süden der Insel finden sich unter anderem zwei der weltgrössten Lagerstätten Seltenerdmetalle, die für die Produktion ziviler und militärischer Technologieprodukte wie Elektromotoren und Solarpanels benötigt werden.
Bei der Förderung seltener Erden ist China derzeit weltweit führend. Die Abhängigkeit von Peking birgt ein Risiko für die westlichen Staaten. Bei einem Handelskrieg könnte China sie von den wichtigen Rohstoffen abschneiden. Grönland könnte die Lösung dieses Problems sein und sich zugleich wirtschaftlich von Dänemark lossagen – doch der Bergbau harzt.
Für die Gewinnung der Rohstoffe fehlt das Kapital. Der Bergbau ist zeitintensiv und mit hohen Risiken verbunden: Von der Entdeckung der Mineralien bis zu deren Verschiffung dauert es im Schnitt 16 Jahre. Das harsche Klima, die riesigen Distanzen und fehlende Transportwege zwischen den Siedlungen erschweren den Abbau. Die Risiken und Kosten tragen derzeit private Investoren allein.
Das gehe nicht, findet die grönländische Handelsministerin Naaja H. Nathanielsen. «Wir müssen Lösungen finden, um die Lücke zwischen Kapital, politischen Ambitionen und den Bedürfnissen der Industrie zu schliessen», schreibt sie in einem Gastkommentar in der «Washington Post». «Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Mineralien im Boden bleiben.»
Derzeit besitzen Unternehmen aus Kanada und Grossbritannien die meisten Bergbaulizenzen in Grönland. Sie verfügen jeweils über 23 Lizenzen, die USA besitzen nur eine. Nathanielsen schreibt: «Wir laden die USA dazu, die geschäftliche Zusammenarbeit auszubauen.» Auch Grönlands Ministerpräsident Mute B. Egede und der Finanzminister Erik Jensen plädieren für stärkere Geschäftsbeziehungen mit den USA. Für Grönland geht es dabei um mehr als geschäftliche Interessen.
Ressourcen für die Unabhängigkeit
Die Insel träumt von der Unabhängigkeit, und als Alternative zu Kopenhagen kommen ihr die USA als Partner gerade recht. Jahrhundertelang wurde Grönland vom Königreich kolonialisiert, seine Bevölkerung unterdrückt. Nur die Spitze des Eisbergs ist die sogenannte «Spiralkampagne». Seit 1979 geniesst Grönland Autonomierechte und verwaltet sich in vielen Bereichen selbst. Wenn die Insel im April ein neues Parlament wählt, wird die Unabhängigkeit, wie bereits bei den letzten Wahlen, eines der wichtigsten Themen sein. Bisher blieb es jedoch bei den Wahlkampfslogans.
Der Grund: Grönland ist in hohem Masse von dänischen Subventionen abhängig. Die jährlichen Zahlungen von umgerechnet etwa 500 Millionen Euro machen mehr als ein Drittel der Staatseinnahmen aus. Mit Fischexporten, dem wichtigsten Geschäftszweig Grönlands, lässt sich die Unabhängigkeit nicht finanzieren, denn die Fischbestände sind gefährdet, der Sektor ist reguliert. Es ist klar, dass es Diversifizierung und Investitionen braucht. Hier kommt Trump ins Spiel.
In Dänemark ist Grönland seit Anfang Januar täglich in den Schlagzeilen. Mantraartig wiederholen dänische Politikerinnen und Politiker, allen voran Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die Worte von Grönlands Ministerpräsidenten Egede: «Grönland gehört den Grönländern.» Trotzdem dürfte in Kopenhagen so mancher hoffen, dass alles so bleibt, wie es ist. Dänemarks Aussenminister Lars Lökke Rasmussen sagte in einer TV-Debatte am Sonntag ganz offen: «Ich hoffe, dass das dänische Königreich noch mehrere Generationen überdauern wird.»
Auch Egede glaubt nicht, dass Grönland komplett unabhängig werden kann. Aber Trumps Interesse hat der Debatte eine neue Dynamik verliehen. Grönlands Finanzminister Erik Jensen sagte in der Debatte: «Im Moment gehen unsere Einnahmen in ein anderes Land, nämlich nach Dänemark. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir auf eigenen Beinen stehen können.» Doch wer Trump als reinen Business-Angel sieht, verkennt die Risiken.
Gefahr einer neuen Abhängigkeit
Als Donald Trump junior Grönland Anfang Januar besuchte, wurde er von Einheimischen mit roten Dächlikappen begrüsst. Die internationale Presse – die NZZ mit eingeschlossen – berichtete über die Trump-Fans in der Arktis. Später stellte sich heraus, dass Trumps Team die «Make America great again»-Accessoires an Obdachlose verteilt hatte. Eine warme Mahlzeit gegen ein paar Fotos, so soll der Deal gelautet haben. Der dänische Sender DR kam der Bestechung auf die Spur.
Die Episode mag recht harmlos und nebensächlich klingen, doch sie zeigt: Die Trumps sind keine Wohltäter, sondern hartgesottene Geschäftsleute. Beim ganzen «Make Greenland great again»-Rummel darf man nicht vergessen, worum es Trump eigentlich geht: «America first».
Der Bergbau in Grönland stockt nicht nur wegen fehlender Ressourcen. Im Süden der Insel, wo seltene Erden abgebaut werden sollen, wehrt sich die Bevölkerung gegen die Mine. Der Klimawandel bewegte die grönländische Regierung 2021 dazu, keine neuen Lizenzen mehr für die Erschliessung von Erdöl- und Gasvorkommen zu vergeben. Auch die Förderung von Uran wurde verboten.
Solche Bedenken dürften Trump herzlich egal sein. Für Grönland wird sich bei einer Kooperation die Frage stellen, wie es den Handlungsspielraum wahren kann. Sonst könnte auf der Insel schon bald Trumps Slogan «Drill, baby, drill» gelten.