Donald Trump will den Ukraine-Krieg schnell beenden. Wie, weiss er noch nicht. Seine Berater streiten über verschiedene Pläne. Einen Konsens scheint es aber zu geben: Die von Moskau eroberten Gebiete sind verloren. Für einen Frieden muss Europa mehr investieren.
Nach Donald Trumps Wahlsieg blickt die Welt gespannt auf die Ukraine. Der Republikaner hat versprochen, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Wie er dies erreichen will, liess Trump bisher jedoch offen. Diese Ungewissheit sei Teil seiner Verhandlungstaktik, meinte er im Wahlkampf: «Ich kann euch diese Pläne nicht aufzeigen. Denn wenn ich dies tun würde, würde ich sie nicht verwenden können.»
Während Trump seine Position verschleiert, lassen Personen aus seinem Umfeld in Interviews jedoch bereits einige Eckpunkte durchschimmern. Das Ziel des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski müsse in erster Linie ein Friedensschluss mit Russland und nicht die Rückeroberung verlorener Territorien sein, sagte etwa Bryan Lanza am Samstag der BBC. Lanza bezeichnet sich selbst als «führenden Berater» des angehenden Präsidenten und ist seit 2016 für ihn tätig. Nun unterstrich er: «Wenn Selenski darauf besteht, dass es nur einen Frieden geben kann, wenn die Krim zurückgeholt ist, dann haben wir eine Nachricht für ihn: Die Krim ist verloren.» Trump werde von Kiew eine «realistische Vision für einen Frieden» fordern.
Ein Sprecher des künftigen Präsidenten ging umgehend auf Distanz zu diesen Aussagen. Lanza sei lediglich auf Mandatsbasis für Trumps Wahlkampf tätig gewesen und nicht fest angestellt: «Er arbeitet nicht für Präsident Trump, und er spricht nicht für ihn.» Lanza ist indes Partner der Beratungsfirma Mercury Public Affairs. Eine andere Partnerin dort ist Susie Wiles – Trumps Wahlkampfleiterin und neue Stabschefin im Weissen Haus. Vielleicht ging es bei dem BBC-Interview auch um einen Versuchsballon, um die Reaktionen der unterschiedlichen Konfliktparteien zu testen.
Lanzas Äusserungen unterscheiden sich nicht stark von anderen Ideen, die bisher aus Trumps Kreisen durchgesickert sind. Eines ist ihnen gemeinsam: Sie empfehlen, den Konflikt einzufrieren, indem Russland die Kontrolle über die bisher eroberten Gebiete behält und die Ukraine längerfristig auf einen Nato-Beitritt verzichtet.
Die Ukraine als europäisches Problem
Das «Wall Street Journal» berichtete diese Woche über einen Plan, der eine demilitarisierte Zone entlang der derzeit über 1200 Kilometer langen Frontlinie etablieren will. Das «Journal» stützte seinen Bericht auf drei Personen, die derzeit daran mitarbeiten, Trumps neue Regierung aufzustellen. So soll die Ukraine mindestens für die nächsten zwanzig Jahre auf einen Nato-Beitritt verzichten. Gleichzeitig würden die USA weiterhin Waffen an Kiew liefern, um Russland vor einem erneuten Angriffskrieg abzuschrecken.
Die Sicherung der demilitarisierten Zone wäre dabei die Aufgabe europäischer Friedenstruppen. «Wir werden keine amerikanischen Männer und Frauen entsenden, um den Frieden in der Ukraine zu sichern. Und wir werden nicht dafür bezahlen. Lasst das die Polen, die Deutschen, die Briten und die Franzosen machen», erklärte ein Trump-Berater.
Dieser Plan deckt sich mit einem Interview des künftigen Vizepräsidenten J. D. Vance im September. Auch er sprach sich darin für eine demilitarisierte Zone entlang der aktuellen Frontlinie aus. Allerdings skizzierte er die Rolle der USA bei den Verhandlungen als neutrale Vermittlerin. Entscheidend wird jedoch sein, ob Trump auch bereit sein wird, Druck auf Russland auszuüben, um den Kremlchef Putin zu Kompromissen zu zwingen. Ein im Frühsommer von zwei Trump-Beratern ausgearbeiteter Plan empfahl eine Taktik mit zwei Fronten: Einerseits soll Washington die Ukrainer mit der Drohung an den Verhandlungstisch zwingen, die Militärhilfe einzustellen. Anderseits sollen die USA auch Russland mit verstärkten Waffenlieferungen an Kiew drohen, sollte der Kreml nicht verhandeln wollen.
In einem Interview im Juli 2023 signalisierte Trump durchaus Bereitschaft dafür. Er werde zu Putin sagen: «Wenn du nicht in ein Abkommen einwilligst, werden wir ihnen (den Ukrainern) viel mehr (Waffen) geben, als sie je bekamen.» Trotzdem bleibt dann immer noch die Frage, wie ein idealer Frieden für Trump genau aussehen sollte – abgesehen davon, dass er sich schnell einstellen sollte.
Mike Pompeo und Nikki Haley sind nicht dabei
Am Donnerstag telefonierte Trump erstmals mit Putin. Trump habe den russischen Staatschef davor gewarnt, den Krieg weiter zu eskalieren, berichtete die «Washington Post» am Sonntag. Der angehende Präsident habe gegenüber Putin zudem sein Interesse für weitere Gespräche bekundet, um den Krieg «bald» beenden zu können.
Putin eilt es momentan jedoch nicht. Im Gegensatz zu den USA und anderen westlichen Verbündeten ist der Kremlchef nicht kriegsmüde. Seine Streitkräfte sind – wenn auch langsam – auf dem Vormarsch und haben nun auch noch nordkoreanische Verstärkung erhalten. Putin wäre kaum damit zufrieden, den Konflikt entlang der Frontlinie bloss einzufrieren. Er möchte, dass Kiew seine Truppen auch aus Regionen im Südosten des Landes abzieht, die Russland noch gar nicht vollständig erobert hat. Zudem dürfte er auf einer internationalen Anerkennung seines Landraubs bestehen. Und er wird vermutlich nur eine neutrale Ukraine akzeptieren, die über keine schlagkräftige Armee verfügt. Auch europäische Friedenstruppen dürften für Putin ein rotes Tuch sein. Schliesslich war und ist sein Kriegsziel, die ganze Ukraine als selbstbestimmten Staat auszulöschen.
Vieles wird davon abhängen, wer Trump in diesen Fragen letztlich berät. Anders als während seiner ersten Amtszeit scheinen die isolationistischen Stimmen in seiner neuen Regierung die Oberhand zu gewinnen. Er plane sein künftiges Kabinett ohne seinen ehemaligen Aussenminister Mike Pompeo und seine ehemalige Uno-Botschafterin Nikki Haley, teilte Trump am Samstag mit. Als ein Favorit auf den Posten des Aussenministers oder des Beraters für nationale Sicherheit gilt derweil Richard Grenell. Trumps ehemaliger Botschafter in Berlin steht sehr loyal zum künftigen Präsidenten. Im Juli sprach sich Grenell für die Etablierung «autonomer Regionen» im Südosten der Ukraine und gegen einen Nato-Beitritt Kiews aus. Grenell scheint ähnlich wie Trump zu denken: Die Ukraine ist vor allem ein europäisches Problem. Und wenn die Europäer einen besseren Frieden für Kiew wollen, müssen sie mehr investieren.