Die Drohungen des neuen amerikanischen Präsidenten wecken Erinnerungen an die Interventionen der USA in Lateinamerika im 19. und im 20. Jahrhundert. Sie werden den Einfluss Pekings verstärken.
Lateinamerika hat es wahrlich nicht einfach mit dem neuen amerikanischen Präsidenten. Den Freihandelspartner Mexiko setzt Donald Trump mit der Androhung von existenzbedrohenden Zöllen und der Rückführung von möglicherweise Hunderttausenden illegal eingereisten Migranten unter Druck. Das Land ist bei den Exporten zu 80 Prozent von den USA abhängig. Es hat in den letzten Jahren einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, dank den Bemühungen der USA, die Produktion für ihren Markt von China weg ins Nachbarland zu holen. Trumps Drohung führt in Mexiko zu grosser wirtschaftlicher Unsicherheit und stellt neue ausländische Investitionen infrage.
Trump droht Panama damit, den 1999 von den USA an das Karibikland übertragenen Kanal wieder wegzunehmen, wenn nötig mit militärischen Mitteln. Auch dies hätte eine schwere wirtschaftliche Destabilisierung zur Folge. Begreiflicherweise wird dies vor Ort sehr ernst genommen und löst grosse Sorgen aus. Die letzte amerikanische Militärintervention – zum Sturz von General Noriega – mit Hunderten von Toten liegt nur 35 Jahre zurück.
In Kolumbien hat Trump den Tarif durchgegeben
Kolumbien hat Trump nach einem ungeschickten Landeverbot für zwei Rückschaffungsflugzeuge mit der sofortigen Verhängung eines Zolls von 25 Prozent auf alle kolumbianischen Importe schockiert – ausgerechnet den seit vielen Jahren engsten Verbündeten in Südamerika und eines der letzten dortigen Länder, für die die USA immer noch der wichtigste Handelspartner sind. Dabei hatte sich Kolumbien gar nicht generell gegen Rückschaffungen gestellt. Seit Jahren nimmt es illegal in die USA eingewanderte Landsleute zurück. Vielmehr hat sich Präsident Gustavo Petro gegen die menschenunwürdige Behandlung der Ausgeschafften in den militärischen Transportflugzeugen gewandt und sogar seinen Präsidentenjet für Rückschaffungen angeboten.
Doch Trump ging es nicht in erster Linie um die Rückschaffungen an und für sich – in den ersten Tagen seiner neuen Regierung hat er weniger Migranten ausgeschafft als im Durchschnitt des letzten Amtsjahres von Biden –, sondern um eine PR-Aktion zur Besänftigung seiner Wähler und zur Abschreckung neuer Migranten. Mit den harschen Bedingungen für die Auszuschaffenden und den grossen C-17-Transportflugzeugen konnte er viel mediale Aufmerksamkeit generieren.
Mit seiner Einschüchterungspolitik macht sich Trump keine neuen Freunde in Lateinamerika. Im Gegenteil: Er wird die latenten antiamerikanischen Gefühle, welche in der Region als Folge der zahlreichen militärischen und nichtmilitärischen Interventionen der USA im 19. und im 20. Jahrhundert vorhanden sind, zu neuem Leben erwecken. Noch wichtiger aber: Mit seinen wirtschaftlich destabilisierenden Massnahmen wird er die Lateinamerikaner direkt in die Arme Pekings treiben. Denn als Alternative zu den wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA kommt eigentlich nur China infrage.
Bereits jetzt ist Peking der wichtigste Handelspartner Südamerikas. Selbst die Amerika-Freunde Milei und Bolsonaro mussten erkennen, dass sie den chinesischen Markt und die chinesischen Investitionen nicht ignorieren können. So verwandelte sich ihre scharfe antichinesische Rhetorik rasch in eine pragmatische Zusammenarbeit mit dem Reich der Mitte.
Jetzt wäre Zusammenarbeit im Westen dringend nötig
Den USA und Europa droht so ein wichtiger Verbündeter verlorenzugehen. Lateinamerika ist für uns nicht nur ein eminent wichtiger Rohstofflieferant. Die Länder der Region sind mit Europa und den USA auch durch die westlichen Werte verbunden. Die meisten von ihnen werden von europäischstämmigen Eliten regiert, die einen ähnlichen kulturellen Hintergrund haben wie Amerikaner und Europäer.
Die Welt steht in einem globalen Machtkampf zwischen dem Westen und den autoritären Mächten Russland und China. Darin kann der Westen nur mit vereinten Kräften bestehen. Trump setzt hingegen einzig auf die kurzfristigen Interessen seines Landes.