Seine Autobiografie «Hillbilly Elegy» war ein Bestseller, seit zwei Jahren sitzt J. D. Vance im Senat. Manche sehen in ihm schon Trumps politischen Erben. Wer ist der 39-Jährige?
Stahlblaue Augen, ein strahlendes Lachen, nicht einmal 40 Jahre alt. Wenn James David Vance, besser bekannt als J. D. Vance, auf Bühnen und vor Fernsehkameras auftritt, wirkt er dynamisch, schlagfertig, charismatisch. Was er sagt, lässt ihn wie einen Mini-Trump klingen, egal ob er vom Bau einer Grenzmauer oder der «Amerika First»-Vision spricht.
Der 39-jährige Vance ist ein Neuling im Politikbetrieb Washingtons, seit 2023 sitzt er für seinen Heimatstaat Ohio im Senat. Besser bekannt ist er vielen Amerikanern durch seine 2016 erschienene Autobiografie «Hillbilly Elegy», die millionenfach verkauft wurde. Der Bestseller löste in den USA Diskussionen über Armut und Klassenkämpfe aus und warf ein Licht auf die Sorgen der Menschen in den Rostgürtel-Staaten. 2020 wurde er mit Hollywood-Schauspielerin Glenn Close für Netflix verfilmt.
In dem Buch beschreibt Vance seinen bemerkenswerten Werdegang: Aufgewachsen im Hügelland der Appalachen in Ohio, dessen Bewohner als «Hillbillys» (Hinterwäldler) belächelt werden, kämpfte Vance als Kind mit Armut, Gewalt und Drogensucht in seinem Umfeld. Der Vater verliess die Familie, als Vance sechs Jahre alt war, die heroinabhängige Mutter war unfähig ihn grosszuziehen – somit war die Grossmutter die treibende Kraft in seinem Leben, die ihn immer wieder ermunterte, seinen Träumen zu folgen.
Vance hörte auf sie: Nach dem Militärdienst in der Marine und einer Entsendung in den Irak schaffte Vance als erster in seiner Familie den Sprung zum Hochschulstudium, und erlangte später gar einen Jura-Abschluss der Eliteuniversität Yale. Später wurde er Wagniskapitalgeber, heiratete eine frühere Kommilitonin und bekam mit ihr drei Kinder.
Seine Wurzeln in den «Flyover States» vergass Vance jedoch nie, die «Washington Post» nannte ihn einmal «die Stimme des Rostgürtels». Vor wenigen Jahren lancierte Vance mit dem früheren AOL-Chef Steve Case einen Fonds, der Tech-Startups nach Ohio und in andere Gliedstaaten im Mittleren Westen locken sollte. Es ist eine vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte, wie die Amerikaner sie lieben.
Ein Erfolgsfaktor für die Biografie war ironischerweise der Aufstieg Trumps, der sich zufällig mit dem Erscheinen des Buches überschnitt. Beobachter nannten es das Trump-Erklärbuch der Stunde, weil Vance darin anschaulich die Sorgen der amerikanischen Arbeiterklasse beschrieb, die Trump wiederum mit seinem Motto «Make America Great Again» bezirzte. Vance begann, regelmässig für die «New York Times» zu schreiben, trat im Kabelfernsehen auf, und bewies schon damals, wie gut er sich vor Kameras und in Interviews schlägt – schliesslich hatte er im Studium auch einmal als Journalist gearbeitet.
Vom Trump-Kritiker zum Trump-Fan
Damals noch sah Vance Trumps Erfolg sehr kritisch und nannte sich einen «Never Trumper». Bei seinen öffentlichen Auftritten und in Zeitungskolumnen bezeichnete er Trump als «verwerflich», «Opiat für die Massen», und verglich ihn gar mit Hitler.
Doch je mehr Erfolg Trump hatte, desto mehr revidierte Vance, wie so viele Republikaner, seine Haltung. Im Präsidentschaftswahlkampf 2020 entschuldigte er sich gar bei ihm, löschte seine kritischen Beiträge in den sozialen Netzwerken und wurde zu einem von Trumps grössten «Fan Boys». Das zahlte sich für ihn politisch aus: Auf Drängen des Tech-Moguls Peter Thiel, für den Vance einmal gearbeitet hatte, empfahl Trump ihn für den Senatssitz für Ohio. Mit Erfolg: Vance, der zwei Wochen zuvor noch in Umfragen zurückgelegen hatte, gewann den Sitz.
In jener Zeit wurde auch Trumps ältester Sohn, Donald Trump Junior, auf Vance aufmerksam – unter anderem, weil Vance sich schon damals dagegen ausgesprochen hatte, die Ukraine gegen Russland zu verteidigen. Laut Medienberichten war er es, der vehement auf seinen Vater eingeredet hatte, Vance als «Running Mate» auszuwählen.
Tatsächlich wirkt Vance angesichts seiner politischen Positionen wie ein Mini-Trump: Er befürwortet beispielsweise den Bau einer neuen Mauer an der amerikanischen Südgrenze sowie eine protektionistische Handelspolitik und ist gegen Militärhilfen für die Ukraine. Er ist ein Gewächs der neuen, populistischen Bewegung innerhalb der Konservativen, die sich selbst die «the new right» oder auch National «Conservatists» nennt – die neue Grand Old Partei der Ära Trump.
«Biden trägt direkt Schuld am Attentat auf Trump»
Nach dem Attentat am vergangenen Samstag sorgte Vance für Aufsehen, als er in harten Worten den Demokraten die Schuld an dem Vorfall zuschob. Die Rhetorik von Bidens Wahlkampfteam habe «direkt zum versuchten Mordanschlag gegen Präsident Trump geführt», behauptete er auf X.
Today is not just some isolated incident.
The central premise of the Biden campaign is that President Donald Trump is an authoritarian fascist who must be stopped at all costs.
That rhetoric led directly to President Trump’s attempted assassination.
— J.D. Vance (@JDVance1) July 14, 2024
Vance wäre einer der jüngsten Vizepräsidenten der Geschichte
Sollte Trump die Präsidentenwahl gewinnen, wäre Vance einer der jüngsten Vizepräsidenten der Geschichte. Im August wird er 40 Jahre alt. An Erfahrung in nationaler Politik hat er lediglich knapp zwei Jahre im Senat vorzuweisen. Doch viel entscheidender als Erfahrung ist für Trump ohnehin, dass Vance ihm gegenüber absolut loyal ist. Manche Beobachter sehen in dem fast 40 Jahre jüngeren Vance bereits Trumps politischen Erben, der die MAGA-Bewegung in die nächste Generation trägt.
Umgekehrt dürfte Vance für Trump Stimmen in Ohio und im Rostgürtel einfangen; traditionell ist die Herkunft eines der Kriterien, nach dem Präsidentschaftskandidaten ihre «Running Mates» auswählen. Zudem ist Vance ein weisser Mann aus der Arbeiterklasse, verheiratet, Vater dreier Kinder, und bekennender Christ (2019 konvertierte er vom Protestantismus zum Katholizismus) : Er verkörpert die Trump-Basis, welche die Republikaner im November an den Urnen brauchen.
Bei den grossen Geldgebern der Republikaner ist die Wahl von Vance als Vize-Kandidat offenbar bereits gut angekommen. Laut einem Bericht der «Washington Post» will allein Tesla-Chef und Milliardär Elon Musk von nun an 45 Millionen Dollar im Monat an den Trump unterstützenden «America Super PAC» zahlen.








