J. D. Vance gehörte einst zu Trumps schärfsten Kritikern. Doch heute gilt der Senator als loyaler Zauberlehrling seines Meisters. Auch für die Ukraine ist das womöglich keine gute Nachricht.
In einer zweiten Amtszeit werde sich Trump nur noch mit Loyalisten umgeben, warnen seine Kritiker immer wieder. Zumindest mit der Wahl seines «Running Mate» scheint sich diese Befürchtung zu bestätigen. Am ersten Tag des republikanischen Parteitags in Milwaukee legte sich der ehemalige Präsident auf J. D. Vance fest. Der Bestsellerautor und Senator gehörte vor acht Jahren noch zu Trumps schärfsten Kritikern. Doch in jüngerer Vergangenheit wandelte er sich zu einem überzeugten Gefolgsmann des ehemaligen Präsidenten. Joe Biden seinerseits bezeichnete Vance am Montag deshalb als «Trumps Klon»
Bekannt wurde Vance 2016 durch sein Buch «Hillbilly Elegy». Darin verarbeitet er seine Jugend in der kriselnden Industriestadt Middletown im sogenannten «Rostgürtel» der USA. Weil seine Mutter mit ihrer Drogensucht kämpfte, wuchs Vance bei seiner Grossmutter auf. Sie gab ihm den notwendigen Halt für eine erfolgreiche Karriere. Nach einer Zeit bei den Marines und einem Einsatz im Irak schaffte es Vance an die Eliteuniversität Yale. Mit einem Jura-Abschluss im Gepäck zog er nach San Francisco, um für die Investmentfirma des Tech-Milliardärs Peter Thiel zu arbeiten.
Vom Kritiker zum treuen Jünger
Weil seine Autobiografie den industriellen Zerfall in den USA anschaulich beschreibt, wurde Vance 2016 zu einem gefragten Trump-Erklärer. Denn in seinem feinfühligen Buch beschreibt er im Grunde jenen Frust der weissen Arbeiterklasse, den auch Trump erkannt hat und zu einem zentralen Wahlkampfthema macht. Zu diesem Zeitpunkt kritisierte Vance den Volkstribun jedoch als «kulturelles Heroin». In privaten Gesprächen befürchtete er, dass Trump zu «Amerikas Hitler» werden könnte.
Irgendwann aber änderte Vance seine Meinung, liess sich einen Bart wachsen und löschte die alten Tweets über Trump. Vance habe sich «radikalisiert», schrieb die «Washington Post». In einem Interview mit dem konservativen Fernsehsender Fox News meinte Vance 2021 über den ehemaligen Präsidenten: «Ich bereue es, dass ich bei diesem Kerl falsch lag.»
Dann kandidierte Vance 2022 für den Senat in Ohio. Für seinen Wahlkampf erhielt er zunächst zehn Millionen Dollar von Thiel. Lange Zeit lag er in der republikanischen Vorwahl jedoch zurück. Vor allem Donald Trumps ältester Sohn Donald Junior soll sich für Vance bei seinem Vater stark gemacht haben. Schliesslich stellte sich Trump öffentlich hinter den jungen Politiker. Sofort stiegen seine Umfragewerte und er gewann die Wahl zum Senator.
Seither gehört Vance zu einem der engsten Verbündeten des ehemaligen Präsidenten. Er bezeichnete Joe Bidens Wahlsieg 2020 als «gestohlen» und befürwortete ein Abtreibungsverbot auch in Fällen von Vergewaltigung oder Inzest. Er warf Präsident Biden vor, mit der «offenen Grenze» zu Mexiko gezielt demokratische Wähler und Drogen ins Land zu holen, die Trumps Unterstützer im amerikanischen Herzland töteten. Zudem machte sich Vance auch als einer der lautesten Kritiker der Ukraine-Hilfe einen Namen. Für einen Sieg gegen Russland brauche Kiew mehr Ressourcen, als die USA liefern könnten. Deshalb müsse es eine von Washington vermittelte, diplomatische Lösung geben, schrieb Vance in einem Kommentar für die «New York Times» im April.
Um seine Nominierung entgegen zu nehmen, zeigte sich Vance gemeinsam mit seiner indischstämmigen Frau Usha am Parteitag in Milwaukee. Die 2500 Delegierten im Basketballstadion der Milwaukee Bucks skandierten laut «J. D., J. D., J. D. » und der frisch gekürte «Running Mate» schüttelte unzählige Hände. Seine eigene Rede am Parteitag wird er am Mittwoch halten. Wenig überraschend soll Donald Junior ihn dann mit einführenden Worten ankündigen. Wie CNN berichtet, hatte er Vance bei seinem Vater nun auch als Vize empfohlen. Ein anderer Fürsprecher war demnach auch der ehemalige Fox News-Moderater Tucker Carlson. Beide sollen Trump gesagt haben, dass Vance von allen Kandidaten der loyalste sein werde.
Der logische Kandidat einer neuen Generation
In gewissem Sinne ist Vance die logische Wahl für den ehemaligen Präsidenten. Er gehört zur neuen und von Trump geformten Generation in der Republikanischen Partei. Wie sehr die «Grand Old Party» zur Trump-Partei geworden ist, zeigte sich auch beim neuen Parteiprogramm. Dieses liest sich im Grunde wie eine Wahlkampfrede des republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Überschrieben ist das kurz gefasste Dokument mit einer populistischen Widmung: «Für die Vergessenen Männer und Frauen Amerikas.»
Mit den «Vergessenen» ist vermutlich die treuste Wählerbasis der Trump-Republikaner gemeint: die Angehörigen der weissen Arbeiterschicht ohne Universitätsabschluss. «Die Politiker haben unsere Arbeitsplätze an die Höchstbietenden ins Ausland», verkauft, heisst es etwa in dem Parteiprogramm. Darin schwingt Trumps zentrale Botschaft an die Wähler mit: «Ihr wurdet vom System verraten und ich werde euch rächen und retten.»
Insgesamt macht die konservative Partei ihren Wähler 20 Versprechen, ohne jedoch immer genau zu definieren, wie diese umgesetzt werden sollen: «Die Grenze schliessen, die Invasion von Migranten stoppen», lautet der erste Punkt. «Grosse Steuersenkungen für die Arbeiter», verspricht der sechste Punkt. «Den dritten Weltkrieg verhindern, den Frieden in Europa und im Nahen Osten wieder herstellen und ein Iron-Dome-Raketenabwehrsystem bauen, welches das ganze Land schützt », heisst es unter Punkt acht.
Eigentlich liess Trump nach dem Attentat auf ihn verlauten, er wolle das Land versöhnen. Er hätte mit der Nominierung eines Vizepräsidenten aus dem gemässigten Parteiflügel einen ersten Schritt dazu machen können. Mit Vance hat er sich für eine polarisierende Figur entschieden. Mit Spannung darf man nun am Mittwoch die Rede seines möglichen Vizepräsidenten erwarten.








