Die Generation Z gilt als politisch links – doch bei der Präsidentschaftswahl haben die unter 30-Jährigen überraschend stark Donald Trump unterstützt. Vor allem junge Männer – sie hatte er ganz gezielt umgarnt.
Die Präsidentschaftswahl in den USA hat mit einem Vorurteil aufgeräumt: dass junge Wähler politisch klar links stünden.
Gerade einmal gut die Hälfte (52 Prozent) der unter 30-Jährigen wählte Kamala Harris gemäss Auswertungen der Nachrichtenagentur AP. Das sind 9 Prozentpunkte weniger als bei Joe Biden 2020 und 14 Prozentpunkte weniger als bei Barack Obama 2008.
Donald Trump hingegen steigerte seinen Anteil bei den jungen Wählern deutlich: 2016 und 2020 hatten ihn nur 36 Prozent der Jungen gewählt, dieses Jahr bemerkenswerte 46 Prozent. Insgesamt sind etwa 41 Millionen unter 30-Jährige wahlberechtigt, hat die Tufts University erhoben. Ein Umschwung um ein paar Prozentpunkte in dieser Wählergruppe kann also besonders in umkämpften Gliedstaaten schnell den entscheidenden Unterschied ausmachen.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Grund liege auf der Hand: Die grössten Sorge der jungen Wähler, so zeigen Umfragen der AP, war schliesslich die Wirtschaft, und da gilt allgemein Trump als stärker.
Tatsächlich ist die Antwort aber komplexer. Denn bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass besonders junge Männer zu Trump strömten. Bei den Frauen unter 30 Jahren lag Trumps Anteil vergleichsweise niedrig bei 37 Prozent (Harris 61 Prozent). Der Umfragenexperte Nate Cohen bezeichnete das Verhalten der jungen Männer gar als «eine der wichtigsten Entwicklungen in diesem Wahljahr».
Amerikas junge Männer sind deprimiert
So warnt der Meinungsforscher John Della Volpe seit langem davor, dass die Abkehr der jungen Männer die Demokraten die Wahl kosten könnte. Della Volpe ist Gründer und Vorsitzender des Harvard Youth Poll, eines auf junge Wähler spezialisierten Umfrageinstituts an der Harvard University. Seine Fokusgruppen mit jungen Männern zeigen einen klaren Trend: In der Generation Z – also jener, die um die Jahrtausendwende herum geboren wurde – seien viele deprimiert von einer unsicheren Zukunft, von Job- und Geldsorgen. Sie fühlten sich einsam und hoffnungslos. Drei Viertel der jungen Männer gaben in Della Volpes Umfragen an, dass sie sich durch die unsichere Zukunft ständig gestresst fühlten.
Diese Krise unter jungen Männern beschreibt auch der Wissenschafter und Buchautor Richard Reeves in seinem Buch «Of Boys and Men». Heutzutage hätten junge Frauen eine um 15 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, einen Universitätsabschluss zu haben, als junge Männer. Sie wohnten auch häufiger noch bei den Eltern und sie fühlten sich häufiger nutzlos, sagte er jüngst in einem Interview. Besonders jene mit wenigen finanziellen Möglichkeiten fühlen sich oft isoliert und allein.
Anders als die Demokraten erkannte Trump dies – und antwortete ganz gezielt mit «bro whispering», wie es Della Volpe nennt, also «Männergeflüster». Etwa mit mehrstündigen Auftritten in Podcasts wie den von Lex Fridman und Joe Rogan, die besonders bei jungen Männern beliebt sind, und Unterstützung für Kryptowährungen und Kampfsportarten. Der Vorsitzende des UFC-Verbandes etwa bekam einen Logenplatz am Parteikonvent der Republikaner, die Wrestling-Legende Hulk Hogan gar Redezeit. Auch das Sichverbrüdern mit Elon Musk passt in diese Strategie.
Die Botschaft war klar: Nur ein starker Mann wie Trump versteht die Sorgen junger Männer, und im Gegensatz zu den Demokraten gibt er ihnen die ersehnte Maskulinität zurück.
Harris’ Interview in der Joe-Rogan-Show platzte hingegen. Es heisst, dass sie sich nicht drei Stunden wie Trump, sondern nur eine Stunde dafür Zeit habe nehmen wollen. Auch habe sie darauf bestanden, das Gespräch unterwegs im Wahlkampf und nicht in Rogans Studio in Austin zu führen.
«Die Demokratische Partei spricht diese jungen Männer seit längerem nicht mehr an, das ist nichts, was man in 30 oder 100 Tagen umkehren kann», sagte Della Volpe in einem Interview mit dem öffentlichen Radiosender NPR am Mittwoch. Das belegen auch die Statistiken: Seit 2020 sank der Anteil junger Männer, die als Demokraten registriert sind, um 7 Prozentpunkte; gleichzeitig stieg der Anteil der Republikaner um 7 Prozentpunkte – unter dem Strich also ein Umschwung um 14 Prozentpunkte in nur vier Jahren.
«Ich habe viel weniger Geld als früher»
Trumps Rückhalt bei jungen Männern wurde auch in Gesprächen mit Studenten der Arizona State University am Dienstag klar, einer der grössten Universitäten des Landes in einem wichtigen Swing State. Auf dem Campus in Tempe, am östlichen Stadtrand gelegen, hatte sich das Uni-Fitnessstudio in ein Wahllokal verwandelt. Vor dem Gebäude standen Studenten geduldig in einer mehrere hundert Meter langen Schlange an, um abzustimmen.
Welches Thema ihn zurzeit beschäftige? Der 21-jährige Zachary hatte eine klare Antwort: «Ich habe viel weniger Geld als früher», sagt der grossgewachsene junge Mann in Sportkleidern mit dem Logo der Uni. Lebensmittel, Auto, Studium – alles sei teuer geworden, und nun sei auch noch seine Miete um 60 Dollar monatlich gestiegen. Er arbeite nebenbei und habe trotzdem ständig Geldsorgen. «Ich hoffe einfach, Trump wird das ändern, denn das beschäftigt mich sehr.»
Ein anderer Student namens Jackson, 19 Jahre alt, erzählt, dass ihn viele Themen umtrieben: die Wirtschaft, die Umwelt, Bürgerrechte, das Recht auf Abtreibung. Für wen er stimmen wolle? «Für Trump. Es war eine schwere Entscheidung für mich als Libertären. Aber letztlich habe ich seine Agenda angeschaut und mich dafür entschieden.»
Junge Frauen hingegen trieb besonders das Thema Abtreibungen an die Urnen, das zeigten Statistiken und auch Gespräche auf dem Campus. Doch in Arizona und anderen Swing States standen dieses Jahr auch Volksabstimmungen zur Abtreibung auf dem Stimmzettel. Junge Wählerinnen konnten sich also für stärkere Abtreibungsrechte aussprechen und trotzdem Trump zum Präsidenten wählen.