Die britische Labour-Regierung streicht die Entwicklungshilfe zusammen, um Mehrausgaben für die Verteidigung zu finanzieren. Premierminister Starmer hofft, weitere europäische Staaten für seine Ideen erwärmen zu können.
In den britischen Medien ist von der «wichtigsten diplomatischen Mission» in Keir Starmers Karriere die Rede. Und der frühere konservative Aussenminister William Hague meinte, noch nie in der Geschichte der «special relationship» zwischen London und Washington sei ein Premierminister vor einem schwierigeren ersten Treffen mit einem amerikanischen Präsidenten gestanden.
Tatsächlich steht einiges auf dem Spiel, wenn Starmer am Donnerstag im Weissen Haus für Gespräche mit Donald Trump eintrifft. Der amerikanische Präsident wirbelt die geopolitische Ordnung durcheinander. Nun will ihn der Labour-Premierminister davon überzeugen, dass Grossbritannien mehr Verantwortung für die Verteidigung Europas und der Ukraine übernimmt. Und er will verhindern, dass sich die USA gänzlich aus der transatlantischen Sicherheitsarchitektur zurückziehen.
Starmer will amerikanische «Rückversicherung»
Bis anhin hüllte Starmer seine Kritik an Trumps rabiatem Kurs in Watte. Mit einer Mischung aus Anbiederung und realpolitischem Pragmatismus versucht er, Grossbritannien im drohenden Handelskrieg aus der Schusslinie zu nehmen und an die historische britische Scharnierrolle zwischen den USA und Europa anzuknüpfen.
Laut Medienberichten stimmt sich Starmer eng mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ab, der Trump am Montag besucht hatte. Wie Macron zeigt sich auch Starmer bereit, Truppen in die Ukraine zu schicken, damit sie dort die Einhaltung eines allfälligen Friedensplans überwachen. Allerdings pocht er zur Wahrung der Abschreckung auf eine amerikanische «Rückversicherung» für den Fall, dass europäische Truppen von Russland angegriffen würden.
Um Trump versöhnlich zu stimmen und um in Europa mit gutem Beispiel voranzugehen, kündigte Starmer noch vor seiner Reise nach Washington eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben an. Gab Grossbritannien bisher 2,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für die Verteidigung aus, sollen die Auslagen bis 2027 auf 2,5 Prozent und ab 2029 auf mehr als 3 Prozent steigen. Starmer sprach vom «grössten Anstieg der Verteidigungsausgaben seit dem Ende des Kalten Krieges».
Schlag für Entwicklungshilfe
Geplant sind jährlich zusätzliche 13,4 Milliarden Pfund (15,2 Milliarden Franken) fürs Militär, wobei ein Teil dieser Ausgaben bereits eingeplant gewesen sein dürfte. Da Starmer angesichts der maroden Staatsfinanzen weder die Schulden noch die Steuern erhöhen will, finanziert er die Investitionen mit markanten Kürzungen bei der Entwicklungshilfe.
2013 gab Grossbritannien unter der liberal-konservativen Koalitionsregierung von David Cameron noch 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Entwicklungszusammenarbeit aus. Boris Johnson kürzte die Zahlungen auf 0,5 Prozent, zudem wurde etwa ein Viertel der Ausgaben in die Unterbringung von Flüchtlingen im Inland umgeleitet.
Damals hatte Labour noch den «kurzsichtigen Verlust britischer Soft Power» beklagt. Nun kündigte Starmer zum Schrecken des linken Labour-Flügels eine weitere Reduktion der Entwicklungshilfe auf 0,3 Prozent der Wirtschaftsleistung an. Nach dem Kahlschlag bei der amerikanischen Agentur USAID kommt dies einem weiteren schweren Schlag für die westliche Entwicklungszusammenarbeit gleich.
Positive Signale aus Washington
Die britische Armee ist nach Jahren der Einsparungen in einem schlechten Zustand. Ein Teil der Zusatzmittel dürfte bloss dazu reichen, den Personalbestand zu halten und bestehende Waffen funktionsfähig zu halten. Im Unterhaus stiess Starmers Ankündigung auf überparteiliche Unterstützung. Doch erklärten etliche Abgeordnete, angesichts der veränderten geopolitischen Lage seien wohl bald weitere Erhöhungen nötig.
Immerhin aber machte Starmer Nägel mit Köpfen, nachdem man in London zuvor jahrelang ohne klaren Zeitplan über die Erhöhung der Verteidigungsausgaben diskutiert hatte. Trump wird dies als Beweis auffassen, dass seine Druckversuche auf Europa Früchte tragen. Sein Verteidigungsminister Pete Hegseth soll in einem Telefonat mit seinem britischen Amtskollegen John Healey bereits von einem «exzellenten Schritt» gesprochen haben.
Dennoch ist offen, ob sich Trump vom Kuschelkurs mit dem russischen Präsidenten abbringen und sich für die Sicherheitsanliegen der Europäer sensibilisieren lässt. Auf jeden Fall hofft Starmer, dass Grossbritannien eine Vorreiterrolle spielen und andere europäische Staaten zur raschen Erhöhung der Verteidigungsausgaben motivieren kann. Bereits am Sonntag will Starmer Amtskollegen aus willigen europäischen Staaten in London zu einem Gipfeltreffen zur Verteidigungspolitik empfangen.