Zwischen der Alternative für Deutschland und dem französischen Rassemblement national hängt der Haussegen schon lange schief. Nach den Spionagevorwürfen um den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah könnte es in Brüssel zum Bruch kommen.
Die Spionageaffäre um den EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah belastet das Verhältnis der AfD zum französischen Rassemblement national (RN). Die Partei von Marine Le Pen hat angekündigt, die Zusammenarbeit mit den deutschen Verbündeten in Brüssel auf den Prüfstand zu stellen.
Insider halten es für nicht ausgeschlossen, dass die Franzosen die gemeinsame Rechtsfraktion «Identität und Demokratie» verlassen und sich nach neuen Partnern im EU-Parlament umsehen könnten. Eine Entscheidung darüber soll nach den Europawahlen Anfang Juni getroffen werden, heisst es aus dem Umfeld des RN.
Faszination für autoritäre Regime
Bei einem Presseauftritt am Freitag weigerte sich Jordan Bardella, der Spitzenkandidat des Rassemblement national, hartnäckig, Fragen zur AfD zu beantworten. Dafür erklärte der Leiter der Wahlkampagne der Plattform Euractiv, dass seine Partei «sehr wachsam» bleibe in Bezug auf die AfD und dass man jede Form der ausländischen Einmischung scharf verurteile.
Eine grosse Nähe zu autoritären Mächten pflegte Le Pen allerdings lange Zeit selber. 2017 zeigte sich die damalige Präsidentschaftskandidatin stolz an der Seite Wladimir Putins, der ihrer Partei zu einem millionenschweren Kredit verholfen hatte. Darüber hinaus pflegen ihre Kader offenbar beste Beziehungen zum Regime in Peking.
Doch die gegenwärtigen Skandale um Krah und seinen langjährigen parlamentarischen Mitarbeiter Jian Guo sowie um den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron wegen Korruptions- und Spionagevorwürfen passen schlecht in Le Pens Strategie, sich europaweit als präsidiale Figur zu inszenieren. Die deutschen Verbündeten scheinen ihr auf dem Weg dahin ein Klotz am Bein zu sein.
Ärger in Brüssel gab es schon vor zwei Jahren, als Krah im französischen Präsidentschaftswahlkampf nicht Le Pen, sondern ihren Konkurrenten Éric Zemmour unterstützt hatte. Wegen «grob fraktionsschädigenden Verhaltens» wurde Krah vorübergehend von der Fraktion suspendiert.
Als Ende 2023 bekannt wurde, dass AfD-Politiker in Potsdam an einem Treffen teilgenommen hatten, an dem über die Massenausweisung von Migranten und «nicht assimilierten» Bürgern aus Deutschland gesprochen worden war, forderte Le Pen die AfD-Vorsitzende Alice Weidel auf, sich zu den Plänen zu erklären. Weidel reiste daraufhin nach Paris und versuchte, bei einem gemeinsamen Mittagessen Ende Februar das «Missverständnis» aus der Welt zu schaffen.
Das Treffen verlief wohl nicht nach Plan. Le Pen forderte Weidel auf, sich schriftlich von den «Remigrations»-Plänen zu distanzieren, was diese aber für keine gute Idee hielt. In der AfD wurde Kritik laut am «schulmeisterlichen» Verhalten Le Pens. Zudem verwies die Parteispitze darauf, dass «Rückschaffungspläne» auch für Frankreichs Rechte ein Thema seien. Im Fall eines Wahlsieges hatte Zemmour sogar die Bildung eines «Ministeriums für Remigration» versprochen.
Aufregung um französische Insel
Das Fass zum Überlaufen brachte eine schriftliche Anfrage der AfD im Bundestag zum Status der französischen Insel Mayotte. Man erwarte, dass die deutsche Bundesregierung Stellung beziehe zu den Resolutionen der Uno-Generalversammlung, «denen zufolge Frankreich die Inselgruppe Mayotte an die Union der Komoren zurückgeben muss», heisst es in der Anfrage.
Dass Le Pen just zum selben Zeitpunkt dem Überseegebiet einen Besuch abstattete, wollte die AfD nicht gewusst haben. Man habe bloss die «deutschen Doppelstandards» in Sachen Völkerrecht blosslegen wollen, erklärte ein Sprecher. Berlin anerkenne nämlich einerseits die Referenden Frankreichs in Mayotte, weise aber die Ergebnisse von Referenden in der Ostukraine zugunsten Russlands zurück.
Die RN-Anführerin erklärte den Vergleich mit der Ukraine für «besonders ungeschickt» und sah sich veranlasst, ihren Fraktionsfreunden einige Lektionen in Geopolitik erteilen zu müssen. Die AfD solle sich «lieber um Deutschlands Probleme kümmern», schimpfte sie.
Das Tischtuch zwischen Le Pen und der AfD scheint zerrissen, doch die Frage bleibt, welche Fraktion dem Rassemblement national nach den Europawahlen eine neue Heimat bieten könnte. Zu den möglichen Verbündeten gehören der Fidesz des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und die frühere polnische Regierungspartei PiS. Diese sitzt in der Fraktion der «Europäischen Konservativen und Reformer», die allerdings auch den Rivalen Zemmour aufgenommen hat.
Sowohl das RN wie auch der AfD werden hohe Stimmenzuwächse im Juni vorausgesagt. Das macht beide Parteien zu potenziell attraktiven Partnern für eine rechte Fraktion. Mit ihrer russlandfreundlichen Politik und der Option eines EU-Austritts («Dexit») hat sich die AfD in Brüssel allerdings zunehmend isoliert.