Die Beziehungen zwischen Russland und Europa stehen am Tiefpunkt. Vor 20 Jahren hat das noch ganz anders ausgesehen. Es gab Zeiten, da hatte Putin fast freundschaftliche Beziehungen zu einigen europäischen Staatsoberhäuptern. Wir blicken in diesem Video auf die Schlüsselmomente zurück, in denen Europas Hoffnung auf eine Partnerschaft mit Russland Stück für Stück zerfallen ist.
Diese Diplomatie war natürlich zunächst geprägt dadurch, dass mit Putin ein ganz neues Gesicht auftauchte, ein junger, dynamisch wirkender Präsident, der in großem Kontrast stand zum früheren russischen Präsidenten Boris Jelzin. Das weckte Hoffnungen nicht nur in Russland, sondern auch im Westen. Und entsprechend ging man mit Putin um. Und er zeigte zumindest ein gewisses Interesse ja auch an Europa, am Westen, an guten Beziehungen.
Der junge Wladimir Putin weiß, wie eine Charmeoffensive geht. Zu europäischen Staatsoberhäuptern pflegt er, wo immer es geht, eine persönliche Beziehung. Im Deutschen Bundestag spricht er die Landessprache: „Ich bin der festen Meinung, in der heutigen schnell ändernden Welt, wo ein wahrhaftig dramatischer Demografiewandel und ein ungewöhnlich hohes Wirtschaftswachstum in einigen Weltregionen zu beobachten sind, ist auch Europa unmittelbar an der Entwicklung der Verhältnisse zu Russland interessiert.
Putin hatte enge Beziehungen zum deutschen Bundeskanzler Schröder, wurde von ihm auch persönlich eingeladen zu Geburtstagen. Genauso war Putin auch in Amerika zu Besuch bei Bush und bei Berlusconi in Italien in dessen Anwesen. Dabei geht es dem russischen Präsidenten wohl um mehr als nur um den Italienurlaub. Russland und Putin hatten natürlich immer schon einen sehr bestimmten Blick auf den Westen – auf Europa. Und diese Zugewandtheit kam ja auch nicht von ungefähr. Man hoffte, mehr Einfluss in Europa zu bekommen, Europa von Amerika abzutrennen und zusammen mit Europa den Kontinent zu bestimmen.
Dass aber nicht alles so laufen wird, wie Russland sich das wünscht, wird bereits 2004 klar. 2004 war die Orange Revolution in der Ukraine, der Protest gegen Wahlfälschungen, der dann zu einer Wiederholung der Präsidentenwahl führte und zum Sieg des, vom Westen unterstützten, Wiktor Juschtschenko. Diese Orange Revolution war für Putin auch ein sehr wichtiges Zeichen dafür, dass der Westen in der Ukraine, die er für sich quasi in Anspruch nahm, bereit war, sich politisch einzumischen.
Der erste offene Bruch ist dann die Münchner Sicherheitskonferenz 2007. Putin kritisiert die Dominanz der USA in den globalen Beziehungen und fordert eine faire und demokratische Weltordnung. Ein Jahr später wird klar, wie weit Russland bereit ist zu gehen, um seine vermeintlichen Interessen zu verteidigen. 2008, da war Putin zwar gerade nicht Präsident, aber er war Ministerpräsident. Der Georgienkrieg zeigte natürlich, dass Russland eben bereit war, für seine Interessen auch Gewalt anzuwenden. Das wurde in Europa zwar wahrgenommen, aber nicht mit der Konsequenz, die vielleicht nötig gewesen wäre. In Georgien führt Russland erstmals einen Krieg, weil das Land sich dem Westen annähert. Der Krieg dauert damals nur vier Tage. Die EU kann einen Friedensplan durchsetzen. Einige Stimmen, etwa Schweden und Finnland, warnen bereits jetzt, dass von Russland eine militärische Gefahr ausgeht. Aber sie sind in der Minderheit.
Der nächste klare Bruch in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen ist die Annexion der Krim. Ab 2013 stört sich Russland zunehmend an der immer westlicher orientierten Ukraine. Für Russland ist das Land klar in ihrer Einflusssphäre, unabhängig davon, was die ukrainische Bevölkerung will. Im Ukraine-Konflikt zwischen Russland und dem Westen geht es ja grundsätzlich darum, dass Russland nicht akzeptiert, dass die Ukraine einen Weg wählt, der nicht auf Russland ausgerichtet ist.
Im Winter 2013 beschließt der damalige Präsident Janukowitsch im letzten Moment, ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU doch nicht zu unterschreiben. Er gibt damit russischem Druck nach. Die Bevölkerung protestiert in Massen auf dem Maidan-Platz in Kiew. Es ist der Anfang des Euromaidan. Im Februar 2014 muss Janukowitsch fliehen. Russland interpretiert seine Absetzung als illegalen Umsturz und nutzt das als Grund, kurz darauf im Osten der Ukraine militärisch einzugreifen und die Krim anzuschließen. Das verschärft den Konflikt zwischen Russland und dem Westen erheblich.
2014 wurde Putin aus den G8 ausgeschlossen. In G20 blieb Russland drin, aber er wurde dort meistens, sofern er überhaupt selber teilnahm, an den Gipfeltreffen geschnitten. Und nur ganz selten gab es Besuche von ihm in Westeuropa. Als Reaktion auf die Annexion der Krim erlässt Europa erste Sanktionen. Doch diese schrecken Russland nicht hinreichend ab. Dass es wirklich zu einer Großinvasion kommt, erwartet 2022 trotzdem kaum jemand. Der Angriff Russlands auf die Ukraine war natürlich ein Schock für den Westen. Die wenigsten hatten damit gerechnet, dass das tatsächlich möglich sein würde, dass das mehr sein sollte als eine militärische Drohkulisse. Und für viele brach eine Welt zusammen, weil sie Putin, trotz allem, was in den Jahren davor geschehen war, als den in Erinnerung hatten, der Europa eigentlich zugewandt ist.
Die Beziehung zwischen Russland und Europa hat nun ihren Tiefpunkt erreicht. Russland führt immer wieder hybride Angriffe gegen europäische Ziele durch. Europa spricht von einer Bedrohung. Gänzlich überraschend ist Wladimir Putins Verhalten dabei nicht. Wenn man ihn innenpolitisch anguckt, war er von Anfang an klar, dass er jetzt nicht derjenige ist, der immer nur sanftmütig seine Probleme zu lösen bereit ist. Und von daher war natürlich dieser Schock von 2022, und davor schon von 2014, im Westen auch ein bisschen scheinheilig und basierte auf einer eigenen Fehleinschätzung.