Eine verletzende Geste gegenüber Polizisten ist für eine 30-Jährige teuer geworden.
Polizisten im Dienst müssen eine dicke Haut haben und viel ertragen. Sie werden angepöbelt, beschimpft, bespuckt und manchmal auch körperlich angegriffen und verletzt. Wie ein rechtskräftiger Strafbefehl der Staatsanwaltschaft See/Oberland zeigt, müssen sie sich aber nicht einmal einen Mittelfinger gefallen lassen.
Am 23. März dieses Jahres führten uniformierte Kantonspolizisten am frühen Abend in Riedikon, das politisch zur Stadt Uster gehört, eine Geschwindigkeitskontrolle durch. Gegen 18 Uhr 30 fuhr eine 30-jährige australische Touristin in einem weissen Mercedes an der gegenüberliegenden Strassenseite entlang, verlangsamte bei der Kontrollstelle ihr Tempo und zeigte zwei Polizeifunktionären den Mittelfinger.
Gefühl, «ein ehrbarer Mensch zu sein», verletzt
Laut dem Text des Strafbefehls verletzte diese Geste die beiden Polizisten in ihrem Gefühl, ehrbare Menschen zu sein, was die Touristin bezweckte oder zumindest in Kauf nahm. Weitere Angaben über eine allfällige Vorgeschichte oder die Motive der Frau sind dem Strafbefehl nicht zu entnehmen.
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland hat die Australierin, die aus dem Bundesstaat Victoria stammt, der Beschimpfung schuldig gesprochen. Sie wurde mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 70 Franken bestraft. Der Vollzug dieser 700 Franken wird bei einer Probezeit von 2 Jahren bedingt aufgeschoben. Sie muss diese Strafe also nicht bezahlen.
Wie aus dem Strafbefehl weiter hervorgeht, wurden bei der Frau allerdings 1100 Franken Bargeld sichergestellt. Diese werden zur Deckung der Sanktions- und Verfahrenskosten verwendet. Die Touristin erhielt nämlich zusätzlich eine Busse von 300 Franken. Und die Gebühr für das Vorverfahren beträgt genau 800 Franken. Beides muss sie bezahlen.
Sehr speziell am Strafbefehl, den die Touristin akzeptiert hat und der bereits rechtskräftig wurde, ist allerdings der Umstand, dass die Frau verpflichtet worden ist, den beiden Kantonspolizisten je 250 Franken zu bezahlen. Es wird im Strafbefehl «davon Vormerk genommen», dass die Frau die Zivilforderung der beiden Privatkläger im Betrag von 500 Franken anerkannt hat.
Worum es sich bei dieser Zivilforderung genau handelt, ist im Strafbefehl nicht weiter umschrieben. Für erlittenes seelisches Leid können im schweizerischen Strafprozessrecht aber Genugtuungen zugesprochen werden. Offenbar soll mit den je 250 Franken ein seelisches Leid, das die Polizisten erlitten haben, abgegolten werden.
Zurückhaltung der Gerichte bei Genugtuungen
Die Gerichte sind allerdings extrem zurückhaltend bei der Zusprechung solcher Genugtuungen an Polizisten. Ähnliche Forderungen werden selbst bei Verurteilungen wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte regelmässig abgewiesen, da von Polizisten, die tagtäglich auf der Strasse im Einsatz stehen, eine gewisse psychische Stabilität erwartet wird.
Es ist deshalb fraglich, ob eine Strafrichterin oder ein Strafrichter diese Forderung geschützt hätte, falls der Strafbefehl gerichtlich angefochten worden wäre.
Erst im Juni wies das Bezirksgericht Bülach Genugtuungsforderungen von zwei Kantonspolizisten über 800 und 1000 Franken ab, die im Bubenholztunnel von einem Mann angegriffen worden waren und mit ihm rund 30 Sekunden auf dem Mittelstreifen im Tunnel körperlich um eine Dienstwaffe und einen Taser gerangelt hatten.
Zum Vergleich: Im April 2021 sprach das Bezirksgericht Zürich zwei Polizisten, die von einem Mann mit einem Steakmesser angegriffen worden waren, je 500 Franken Genugtuung zu. Im Dezember 2018 erhielten zwei Polizisten, die von einem Linksaktivisten angespuckt worden waren, vom Bezirksgericht Zürich je 100 Franken Genugtuung zugesprochen.