Ein Rechtsstreit mit der Nachrichtenagentur AP, neue Regeln für den «Pool» des Präsidenten: Trump will rechtsstehende Medien bevorzugt behandeln. Der Journalistenverband sieht die Pressefreiheit bedroht.
Kürzlich, an einer Pressekonferenz im East Room des Weissen Hauses: Die einleitenden Stellungnahmen sind zu Ende, und nun kann der amerikanische Präsident den ersten Fragesteller auswählen. Donald Trump zögert keine Sekunde und zeigt demonstrativ auf Brian Glenn, der weit hinten im Saal sitzt. «Brian, möchtest Du eine Frage stellen?»
Ein ungewöhnlicher Schritt, vertritt Glenn doch im Weissen Haus kein amerikanisches Leitmedium. Er ist vielmehr ein Aushängeschild des jungen Medienunternehmens «Real America’s Voice». Die im Herbst 2020 gegründete Internetplattform ist die Heimat von rechten Kommentatoren wie Steve Bannon und Charlie Kirk. Trump-Anlässe werden in voller Länge übertragen – während die meisten TV-Stationen dazu übergegangen sind, nur noch Ausschnitte zu zeigen.
An der Medienkonferenz nutzt Glenn, der Trump zu «100 Prozent» unterstützt, die Gelegenheit, um den Präsidenten auf eine positive Meinungsumfrage anzusprechen. «Sie haben die Unterstützung der amerikanischen Bevölkerung», versichert er dem Präsidenten – Töne, wie sie normalerweise an solchen Veranstaltungen im Weissen Haus nicht zu hören sind. Trump wiederum bedankt sich artig beim Fragesteller. Und schenkt ihm wenig später eine rote Baseballmütze, auf der zu lesen ist: «Trump was right about everything», Trump hatte in allem recht.
HARVARD POLL SHOWS PRESIDENT TRUMP LEADING ON ALL ISSUES
RAV’s own @BrianGlennTV asks President Trump what his thoughts were on Harvard’s latest polling. «It is about common sense.» pic.twitter.com/caEkj1o4IH
— Real America’s Voice (RAV) (@RealAmVoice) February 24, 2025
An solche Szenen wird sich das Pressekorps im Weissen Haus gewöhnen müssen. Denn künftig will sich der Präsident mit noch mehr Medienschaffenden umgeben, die ihn offen unterstützen. Karoline Leavitt, die Sprecherin des Weissen Hauses, gab diese Woche bekannt, ihr Team sei nun für die Auswahl der Medienschaffenden zuständig, die dem Präsidenten Fragen stellen dürften. Damit wolle das Weisse Haus «neuen Stimmen» die Gelegenheit geben, direkt mit Trump zu sprechen, und den Medienkonsum der Amerikanerinnen und Amerikaner im Jahr 2025 besser abbilden.
Das Weisse Haus entmachtet Journalistenvereinigung
Dazu muss man wissen: Die White House Correspondents’ Association (WHCA) agiert seit mehr als 100 Jahren als Schleusenwärter für Medienschaffende im Weissen Haus. Die rund 800 Mitglieder der unabhängigen Journalistenvereinigung entschieden in Eigenregie, wer bei Anlässen mit limitierter Platzzahl Zugang zum Präsidenten bekommt. Aufgrund enger Verhältnisse und logistischen Hürden war das jeweils nur eine kleine Gruppe. Eine der Aufgaben dieses «Pools» besteht aber darin, die übrigen Korrespondenten zeitnah über sämtliche wichtigen Vorkommnisse im Umfeld des Präsidenten zu informieren.
Kritik an diesem System ist nicht neu. So stimmt es, dass grosse Medienorganisationen wie Nachrichtenagenturen oder alteingesessene Fernsehsender im Weissen Haus lange Jahre privilegiert behandelt wurden – das hängt aber auch damit zusammen, dass sie über mehr Personal, grössere Budgets und eine höhere Reichweite als viele andere Medien verfügen.
Aber eigentlich funktionierte die Arbeitsteilung im Weissen Haus recht gut, nachdem die WHCA in den vergangenen Jahren auf die Strukturveränderungen in der Medienszene eingegangen ist. So wurden vor einigen Jahren auch kleine Online-Publikation für «Pool»-Dienste eingespannt.
Eine radikale Änderung des bisherigen Modells sei deshalb nicht angebracht, findet die Journalistenvereinigung. Deren Präsident Eugene Daniels, der noch für «Politico» arbeitet, spricht gar von einer Attacke des Weissen Hauses auf die Pressefreiheit. Das selektive Vorgehen des Präsidenten sei nicht vereinbar mit den Grundprinzipien der Meinungsfreiheit, sagte Daniels.
Das hält Trump nicht davon ab, führende Medienorganisationen weiter zu attackieren. Diese Woche bezeichnete er zum Beispiel MSNBC als eine Gefahr für die Demokratie. Auch verlangt er eine Verschärfung der Verleumdungsgesetze, ein altes Anliegen von Trump.
AP wehrt sich gegen Verbannung aus Oval Office
Leere Drohungen sind das nicht, wie ein Rechtsstreit zeigt, der sich derzeit in Washington abspielt. Im Zentrum steht die Associated Press (AP), die 1846 gegründete Nachrichtenagentur. Sie war am Montag bei einem Bundesrichter in Washington mit ihrer Forderung nach einer superprovisorischen Verfügung gegen das Weisse Haus abgeblitzt.
Die Nachrichtenagentur wollte sich auf diesem Weg wieder Zugang zu Anlässen mit dem Präsidenten verschaffen – nachdem das Weisse Haus vor zwei Wochen einen Bann über die AP-Korrespondenten verhängt hatte. Seither sind die amerikanischen Angestellten der Agentur an Pressekonferenzen Trumps nicht mehr erwünscht, dürfen das Oval Office nicht betreten oder das Präsidenten-Flugzeug Air Force One besteigen.
Begonnen hatte dieser Streit, weil sich die Nachrichtenagentur weigert, die von Trump durchgesetzte Namensänderung für den Golf von Mexiko zu übernehmen. Die Meeresbucht, an die nebst den USA auch Mexiko und Kuba grenzen, heisst seit dem 24. Januar 2025 in Washington offiziell «Gulf of America» – oder auf Deutsch Golf von Amerika. Weil aber kein Anrainerstaat und keine internationale Organisation diese Anpassung einer historischen Bezeichnung übernehmen will, verwendet AP in ihrer Berichterstattung weiterhin auch den alten Namen – damit keine Verwirrung entstehe. So ist es im Glossar der Nachrichtenagentur nachzulesen, das vielen amerikanischen Redaktionen als Leitfaden dient.
Mahnende Worte eines Bundesrichters
Diese Sprachregelung sei «illegal», behauptete Trump, und seine Sprecherin Leavitt verkündete, dass keine Medienorganisation ein Anrecht darauf habe, direkt mit dem Präsidenten zu sprechen. Das stimmt. AP sieht aber in der Art und Weise, wie das Weisse Haus den Bann verhängte, einen Verstoss gegen die verfassungsrechtlich verbriefte Pressefreiheit. Die Nachrichtenagentur werde diskriminiert, weil sie einen anderen Standpunkt als die Regierung vertrete, sagen die AP-Anwälte.
Der Bundesrichter Trevor McFadden zeigte in der Anhörung am Montag gewisses Verständnis für diese juristische Einschätzung. Er sah zwar von Sofortmassnahmen ab und setzte die nächste Verhandlung erst auf Ende März an. AP habe schliesslich weiterhin Zutritt zum Weissen Haus, sagte der konservative Richter. Aber gleichzeitig wies McFadden die Rechtsvertreter des Präsidenten darauf hin, dass Gerichte in Washington in ähnlichen Streitfällen stets zugunsten der Meinungsfreiheit entschieden hätten. Er sagte: «Es könnte eine gute Idee sein, dass das Weisse Haus darüber nachdenkt, ob das, was es tut, angesichts der Rechtsprechung wirklich angemessen ist.»
Das Weisse Haus gibt sich ungerührt. Auf den Fernsehgeräten im Briefing-Room war am Dienstag eine Landkarte mit dem «Gulf of America» zu sehen. Dazu das Wort: «Victory», Sieg.