Eine nicht ganz ernst gemeinte Abrechnung zum 1. August.
Als ich noch ein Kind war, stand der 1. August für mich auf einer Stufe mit Geburtstag und Weihnachten. Es war einer jener Tage im Jahr, denen ich wochenlang entgegenfieberte. Nicht weil ich besonders patriotisch gewesen wäre. Meine Begeisterung hatte nur einen Grund: das Feuerwerk.
Lagen die knallbunten Raketen und Böller endlich in den Auslagen der Geschäfte, kratzte ich noch das letzte Taschengeld zusammen, um mit meinen Freunden auf Einkaufstour zu gehen. Günstiges und dafür viel davon, lautete unsere Devise, damit der Spass möglichst lange hielt. Wir nutzten Feuerwerkskörper für allerlei Dummheiten und Experimente, von denen ich heute hoffe, dass sie meine Tochter nicht wiederholen wird. Zum Beispiel: Wie weit fährt ein Matchbox-Auto, wenn man ein Raketli dranklebt? Nicht weit, und es endet im Totalschaden. Oder: Kann man Trainerhosen mit einer Rauchbombe einfärben? Nein, und die Hitze brennt Löcher rein, die man den Eltern erklären muss.
Wenn es am 1. August endlich eindunkelte, versammelten wir uns alle auf der grossen Spielplatzwiese. Neidisch schaute ich auf unsere kroatischen Nachbarn, die ein unerschöpflich scheinendes Arsenal an grossen Raketen in die Luft feuerten. Meine Eltern nannten das Geldverschwendung, ich fand es einfach nur hinreissend.
Bis heute erinnere ich mich gerne an diese Zeit zurück. Doch inzwischen ist Feuerwerk in Verruf geraten und in der Schweiz akut bedroht. So verlangte der Zürcher Gemeinderat, das Feuerwerk am Züri-Fäscht durch eine umweltfreundliche Alternative zu ersetzen. Inzwischen haben die Organisatoren des Fests vor allem wegen all der Einschränkungen gleich ganz aufgegeben. Die Stadt Baden will ab 2025 privates Feuerwerk ganz verbieten, und selbst die bürgerlich dominierte Goldküstengemeinde Erlenbach verzichtet neuerdings auf ihr traditionelles Feuerwerk am 1. August.
Das sind erste Anzeichen für einen Anti-Feuerwerks-Trend, der bald die ganze Schweiz erfassen könnte. Letzten November hat ein privater Verein eine Initiative eingereicht, die private Feuerwerke verbieten will.
Die Argumente der Gegner sind immer die gleichen: Feuerwerk schadet dem Klima, Feuerwerk ist schlecht für die Gesundheit von Mensch und Tier, Feuerwerk ist furchtbar laut.
Natürlich kann man Feuerwerke unnötig und anachronistisch finden. Aber ist die Sache wirklich so schädlich, wie behauptet wird?
Hier ein Faktencheck zu den häufigsten Kritikpunkten: CO2-Ausstoss, Feinstaubemissionen und Lärm. Einige der folgenden Vergleiche sind zugegebenermassen überspitzt. Sämtliche Berechnungen fussen aber selbstverständlich auf soliden Grundlagen.
CO2-Ausstoss: Ist Feuerwerk klimaschädlich?
In der Schweiz werden im Schnitt rund 2000 Tonnen Feuerwerk pro Jahr verbraucht. Pro Tonne werden 43 Kilogramm CO2 freigesetzt, insgesamt sind es pro Jahr also 86 Tonnen. Dies ist einem Bericht zu entnehmen, den das Bundesamt für Umwelt 2014 zum Thema Feuerwerk publiziert hat.
86 Tonnen klingen im ersten Moment beträchtlich. Laut dem CO2-Rechner von Myclimate müsste eine Person rund 500 000 Kilometer in einem Flugzeug zurücklegen, um so viel CO2 auszustossen – also gut zwölfmal um die Erde fliegen oder 80-mal von Zürich nach New York – in der Economyclass.
Der Vergleich hinkt allerdings. Denn dabei wird der Feuerwerksverbrauch der ganzen Bevölkerung mit dem Verhalten einer Person gleichgesetzt. Korrekter wäre es, den CO2-Ausstoss von Feuerwerk pro Kopf zu berechnen. Und dann sieht die Sache plötzlich ganz anders aus. Verteilt auf die 8,98 Millionen Personen, die in der Schweiz leben, bleibt noch eine Emission von 9,6 Gramm CO2 pro Kopf und Jahr. Selbst radikale Klimaschützer sollte das kaltlassen.
Zur Veranschaulichung ein paar Beispiele:
9,6 Gramm CO2 entsprechen einer Flugdistanz von 55 Metern – ein guter Weitspringer schafft das mit sieben Sprüngen.
9,6 Gramm CO2 entstehen auch beim Verbrennen von 7 Gramm Holz. Wenn also jede Person in der Schweiz alle zwei Monate einen Zahnstocher verbrennen würde, würde damit gleich viel CO2 ausgestossen wie mit sämtlichem Feuerwerk.
Zum Kompensieren von Feuerwerk könnte man gut aufs Netflix-Schauen verzichten. Viel braucht es nicht. Gemäss einer von Netflix finanzierten und damit wohl optimistischen Studie verursacht das Streaming 55 Gramm CO2 pro Stunde. Also: Einmal pro Jahr 10 Minuten Streaming-Verzicht, und dann ist die Rechnung wieder ausgeglichen.
Feinstaub: Wie viel Feinstaub entsteht wegen Feuerwerks, und ist das gefährlich?
Beim Abbrennen von Feuerwerk entsteht eine beträchtliche Menge Feinstaub: Insgesamt rund 360 Tonnen sind es pro Jahr. Das sind immerhin 2 Prozent der Schweizer Gesamtemissionen, wie dem Bericht des Bundesamts für Umwelt zu entnehmen ist.
Was sind die Folgen davon?
Mit einer gewissen Menge Feinstaub kann unser Körper grundsätzlich umgehen, schliesslich ist unsere Atemluft kaum je völlig staubfrei. Entscheidend ist die Menge.
Wenn draussen viel Feuerwerk abgebrannt wird, wie am 1. August oder an Silvester, kann die Feinstaubkonzentration durchaus in die Höhe schnellen. Die Belastung hält aber meist nur kurzfristig an. Dazu ein kleines Beispiel von der Zürcher Rosengartenstrasse vom letzten Silvester, dem zweiten grossen Schweizer Feuerwerksfest.
Die Belastung steigt um Mitternacht auf 40 Mikrogramm pro Kubikmeter an, schon eine Stunde später sinkt sie aber wieder auf 10 Mikrogramm. Der Grenzwert der Schweizer Luftreinhalteverordnung für den gröberen Feinstaub (PM10) liegt bei 50 Mikrogramm – allerdings im Tagesdurchschnitt. Davon war man also weit entfernt.
Für den letzten 1. August liegen die Daten von der Rosengartenstrasse leider nicht vollständig vor. Um Mitternacht bricht die Messung plötzlich ab. Um 22 Uhr liegen die Werte aber bei rund 25 Mikrogramm und sinken eine Stunde später schon wieder leicht ab. Sie dürften also nicht höher ausgefallen sein als an Silvester.
Am 1. August kann es aber durchaus zu viel höheren Belastungen kommen, wie der Bericht des Bundes zeigt. Zwischen 2001 und 2010 kam es in der Schweiz immer wieder einmal vor, dass die Feinstaubwerte kurzfristig auf ein Maximum von 200 bis 400 Mikrogramm kletterten. Das wirkt zwar dramatisch. Wenn man sich aber einmal die Situation in gewöhnlichen Haushalten ansieht, relativiert sich die Sache.
Hier ein paar Vergleiche:
Wer schon einmal bei Freunden war, die zu Hause Zigaretten qualmen, hat sich einer Feinstaubbelastung von bis zu 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter ausgesetzt.
Wer sich für seine Chakra-Atemübungen gerne Räucherstäbchen anzündet, der bekommt es mit einer Feinstaubbelastung von mehreren hundert Mikrogramm zu tun.
Und selbst harmlos wirkende Weihnachtsbäume können zur Bedrohung werden. Messungen der Empa haben ergeben, dass eine einzelne brennende Kerze innerhalb von einer Stunde die Feinstaubkonzentration im Wohnzimmer um 35 Mikrogramm pro Kubikmeter erhöht. Flackert die Kerze, ist es gar mehr als doppelt so viel. Ein Baum mit 20 Kerzen dran ist also eine echte Feinstaubschleuder.
Wer also wegen des Feinstaubs gegen Feuerwerk ist, müsste konsequenterweise beim Candle-Light-Dinner auf romantische LED-Lämpchen setzen.
Lärm: Ist Feuerwerk ohrenbetäubend?
Es lässt sich nicht wegdiskutieren: Explodierende Raketen und andere Böller machen einen gewaltigen Lärm. Feuerwerk reiht sich mühelos in eine Kategorie mit Presslufthämmern, Donnerschlägen und Formel-1-Autos ein.
Aber ist solcher Lärm auch schädlich? Nein, sofern man sich an die Regeln hält. In der Schweiz darf nur Feuerwerk verkauft werden, das bei korrekter Verwendung nicht lauter als 120 Dezibel knallt. Entscheidend ist dabei, dass der Abstand zwischen Gehör und Knall gross genug ist. Messungen des Bundes haben aber ergeben, dass an Grossfeuerwerken die Belastungsgrenze zum Teil leicht überschritten wird. Wobei weniger die Lärmspitzen das Problem sind als vielmehr die Dauer der Belastung.
Im Gegensatz zu Tieren, die dem Lärm ziemlich hilflos ausgeliefert sind, können sich die Menschen aber recht gut vor der Knallerei schützen. Hier ein paar Ideen:
Wer keine Feuerwerke hören mag, sollte sich zunächst einmal nicht in deren Nähe aufhalten. Mit zunehmendem Abstand nimmt auch der Lärm deutlich ab.
Wer es noch besser machen will, schliesst die Fenster. Hat man draussen auf dem Balkon vielleicht noch einen Lärm von 100 Dezibel – also Konzertlautstärke –, sind es bei geschlossenen Fenstern noch etwa 60 Dezibel. Da ist man schon bei Gesprächslautstärke.
Wer es noch ruhiger mag, sollte zusätzlich Gehörschutzpfropfen verwenden. Damit kann man nochmals etwa 30 Dezibel rausholen: Flüsterlautstärke.
Fazit
Der schlechte Ruf des Feuerwerks scheint also nicht ganz so gut begründet zu sein. Statt mit der Umwelt und der Gesundheit zu argumentieren, wäre es vielleicht ehrlicher, zu sagen, dass man Feuerwerke schlicht nervtötend, teuer und unnötig findet. Und es ist völlig legitim, auch aus solchen Gründen für Feuerwerksverbote zu stimmen.
Man nimmt damit einfach in Kauf, dass einige Mädchen und Buben einen Tag weniger im Jahr haben, dem sie entgegenfiebern können.